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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Wasser in zerbeulten Töpfen, leeren Marmeladeeimern, oder fuhren es in alten Fässern auf Lastwagen von fernen Brunnen oder Quellen herbei, um die Wurzeln dieser tapferen Schößlinge zu bewässern, von denen sie hofften, daß sie in einem Vierteljahrhundert wieder die Wälder von Judäa bilden würden.
    Oft hielt die Karawane unterwegs an, denn Dr. Levi hatte eine fast kindliche Vorliebe, mit diesen Menschen zu schwatzen, ihnen eine Frage zu stellen oder Ansichten mit ihnen auszutauschen. Er war an allem interessiert, was vor sich ging; wie ein Jongleur hielt er drei Welten zugleich in Bewegung — die Vergangenheit, die unter den Erdhügeln und Erhebungen lebendig war und eine begrabene Stadt oder Festung anzeigte; die Gegenwart vor ihren Augen und die Zukunft.
    Einmal sahen sie einen großen bärtigen Russen, braungebrannt wie ein Waschbär, den nackten Oberkörper wie ein Ringkämpfer mit Muskeln bepackt, besorgt über einen winzigen, schlaffen Schößling von mattem Grün gebeugt. Er tätschelte die Erde rund um ihn her und tränkte ihn mit Wasser, das er aus einer rostigen Obstbüchse darübergoß.
    Als er sich beobachtet fühlte, richtete er sich auf und schaute mit ungeheurem Stolz und voller Fieiterkeit in den Wagen, während ihm der Schweiß über das breite Gesicht rann. Er sah Hannah und rief etwas auf hebräisch, worüber Dr. Levi schallend lachen mußte, während Ben-Isaaks Augen einen seltsamen, fast verlorenen Ausdruck annahmen.
    Dr. Levi erklärte Hannah: «Er sagt: »
    Ein anderer Arbeiter in der Nähe sagte auf englisch : «Seit Tagen hat er sich um den kleinen Baum Sorgen gemacht, als ob er sein Kind wäre.»
    Der Gegensatz zwischen dem riesigen Mann und dem genesenden Bäumchen brachte sie alle zum Lächeln.
    Hannah sagte: «Richten Sie ihm meine Glückwünsche aus. Er hat wirklich einen Sieg errungen.»
    Sears höhnte: «Sagen Sie ihm lieber, daß er ein alter Mann sein wird, ehe er den ersten Schatten von dem Baum erhält.»
    Nun legte der Russe den Kopf in den Nacken und lachte schallend, ehe er antwortete.
    Dr. Levi übersetzte: «Er sagt, der sei nicht für ihn, sondern für seinen Sohn...» Und zu Sears gewandt, fügte er hinzu: «Sehen Sie, in einem arbeitenden Land gibt es kein Altern, nur Kontinuität.»
    Als sie abfuhren, tat Ben-Isaak etwas Seltsames. Er sah den Russen an, und dann hob er die Hand zu einer Ehrenbezeigung. Ihre Augen begegneten sich und leuchteten in völligem Einverständnis auf. Der Russe salutierte ebenfalls und winkte, bis sie nicht mehr zu sehen waren.
    Eines konnte Hannah in den Gesichtern all dieser arbeitenden Männer lesen: Was sie auch taten, ob sie Picke und Breithacke in den harten Boden schlugen, Steine hämmerten oder Blöcke aufeinandertürmten, um eine Mauer zu errichten, ob sie einen Balken zersägten oder einen Nagel einschlugen — alle strahlten vor Stolz wie Menschen, die sich zugleich ein Land und ein Heim aufbauen. Während sie ihre Felder, ihre Fabriken, ihre Wasserwege und Häuser errichteten, bauten sie ihre Nation auf. Das alles hatte Hannah schon früher einmal gesehen, und die Erinnerungen, die es weckte, brachten etwas in ihrem alten, hart gewordenen Herzen zum Leben.
    Sie verließen das blühende, von der Sonne beschienene Tal Jesreel und folgten der gewundenen Straße, die zu den ausgedörrten Hügeln Galiläas bis Nazareth hinaufführte, wo sie kurz nach sechs eintrafen. Die Sonne stand bereits niedrig und nahe am Rand der Berge, die die in eine Mulde gebettete alte Stadt umringten.
    Zwischen neugierigen Araberkindern und sich drängenden arabischen Führern, die sich lärmend erboten, sie zu Josephs Zimmermannswerkstatt, der Kirche des heiligen Joseph und der der Verkündung mit der noch immer fließenden Marienquelle zu führen, fuhren sie zum Galiläa-Hotel hinauf, einer heruntergewirtschafteten und von Geschossen durchsiebten Karawanserei.
    Die Straßen waren heiß und staubig, die Kinder schmutzig, die Fliegen zahlreich und das Sprachengewirr störend. Zum erstenmal wurden sie sich des Geruchs einer Araberstadt bewußt.
    Sie gingen ins Hotel, um sich zu waschen und zu essen. Die Halle war zur Hälfte ein Basar mit geschmacklosen Andenken und billigen Devotionalien. Überall hing der Geruch von heißem Fett, und der leere Speisesaal mit den schmutzigen Tischtüchern und den zahllosen Fliegen wirkte mehr als deprimierend.
    Nach dem Essen

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