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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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«Sind Sie im Zustand der Gnade, daß Sie die Taufe empfangen dürfen?»
    Hannahs Hände, fest zu Fäusten geballt, zitterten einen Augenblick lang. Sie sagte: «Ich weiß es nicht. — Wie kann ich das wissen? Ich erinnere mich an einen Psalm. Ich höre ihn, aber ich kann ihn nicht sprechen...»
    Ruhig begann Ben-Isaak, die tiefen Augen liebevoll auf Hannah gerichtet: «Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir; darum gedenke ich an Dich im Lande am Jordan und Hermonim, auf dem kleinen Berg. Deine Fluten rauschen daher, daß hier eine Tiefe und da eine Tiefe brausen; alle Deine Wasserwogen und Wellen gehen über mich. Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm und bete zu dem Gott meines Lebens. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast Du mein vergessen? Warum muß ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich drängt? Es ist als ein Mord in meinen Gebeinen, daß mich meine Feinde schmähen, wenn sie täglich zu mir sagen: Wo ist nun dein Gott? Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.»
    «Ja, o ja!» rief Hannah. «Das ist er.» Dann sagte sie zu Dr. Levi mit einem fast kindlichen Flehen in der Stimme: «Können Sie es denn nicht verstehen?»
    Der alte Mann warf Sears einen kurzen Blick zu, dann ging er zu Hannah hinüber und nahm mit einer sehr zärtlichen Bewegung tröstend ihre Hand und schaute ihr tief in die verwirrten Augen.
    «Ja», sagte er, «ich verstehe. Ich will tun, was Sie wünschen. Ich werde Sie taufen. Bereiten Sie sich vor.»
    Als Hannah niederkniete, um Schuhe und Strümpfe auszuziehen, flüsterte Sears Clary zu: «Um Gottes willen, kannst du das nicht verhindern?»
    Clary sagte: «Sei still! Warum sollte ich das tun? Schau dir doch ihr Gesicht an. Siehst du denn nicht, wie sie sich danach sehnt?»
    Die späte Nachmittagssonne fiel schräg durch das Laub und machte die dunkle Flüssigkeit, die aus dem Felsen rann, zu Gold und Kristall, während Hannah in die Quelle trat, so daß das eisige Wasser ihre Knöchel umspülte. Dr. Levi begleitete sie in den eben geborenen Bach.
    Er bückte sich, schöpfte in der hohlen Hand Wasser und goß es über das graue Haupt, so daß die Tropfen über die Wangen des stolzen Gesichtes rannen wie Tränen.
    Er sagte: «Im Namen des allmächtigen Gottes taufe ich dich, Hannah Bascombe.»
    Darauf stiegen beide gemeinsam aus dem Wasser ans Ufer. Der junge Amerikaner, Ed Avery, schlug einen seltsam unpassenden und dennoch rührenden Ton an; er trat zu Hannah und schüttelte ihr die Hand. «Ja, Miss Bascombe, das war wunderbar. Ich freue mich schrecklich für Sie.»
    Joe Sears hatte plötzlich das unerklärliche Gefühl, eine schwere Niederlage erlitten zu haben. Ihm war, als sei in ihm und um ihn her eine Schlacht geschlagen worden, ohne daß er sich selbst daran hätte beteiligen oder sich auch nur verteidigen können — eine Schlacht, die ihn selbst tief berührte, und die er verloren hatte.

23

    Spricht er zu ihm: Weide meine Lämmer!
    Johannes 21, 15

    Sears lag, in eine Decke gewickelt, auf dem harten Boden ihres ersten Lagerplatzes am Eingang zu einer tiefen Schlucht, die in die Vorberge des Hermon führte, und konnte nicht schlafen. Er hatte große Lust zu rauchen, aber Schlomo hatte jedes Licht verboten, und Sears wagte nicht, ungehorsam zu sein.
    Es war ihnen gelungen, die Grenze an der Queiteirastraße nicht weit von Dan nach Einbruch der Dunkelheit ohne Zwischenfälle zu überschreiten. Die Palmach-Garde bewegte sich geschickt in der ihr vertrauten Gegend und marschierte auf die Wildnis zu, die sich zwischen dem Libanon und Syrien erstreckte.
    Dieses Gebiet hatte den Vorteil, daß hier kaum syrische oder libanesische Militärpatrouillen zu fürchten waren, denen sowohl Dr. Levi als auch Schlomo um jeden Preis auszuweichen wünschten. Dagegen bestand die Gefahr, wilden Banden räuberischer Araber zu begegnen, die den Krieg zwischen Arabien und Israel als Vorwand für allgemeine Plünderzüge benutzt hatten. Anderseits war der Weg hier bequemer für Hannah; man konnte den Hermon durch eine Anzahl flacher Täler ersteigen, die jetzt nicht mehr als trockene Wadis waren und! durch immer höhere Hügel sanft aufwärts führten.
    Das Lager war kurz vor Mitternacht aufgeschlagen worden. Die Palmach-Männer arbeiteten trotz völliger Dunkelheit rasch und geschickt, errichteten Zelte für Hannah und Clary und

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