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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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natürlich völlig inoffiziell, und die Männer kommen nur zu einem Spaziergang mit.»
    Ben-Isaak selbst hatte viel von seiner Jungenhaftigkeit abgelegt und war vom Scheitel seines dunklen Kopfes, auf dem eine polnische Feldmütze thronte — ein Überbleibsel aus seiner Partisanenzeit — bis zu den Sohlen seiner schweren Marschstiefel ein Kämpfer geworden. Er trug ein Gewehr, über der Brust gekreuzte Patronengurte und ein Koppel, an dem ein halbes Dutzend tschechische Handgranaten hingen.
    Hannah Bascombe nahm die Gruppe in Augenschein wie ein General, der Parade abhält, und nickte mit grimmiger Befriedigung. Sie wußte Kämpfer zu erkennen.
    Sears bemerkte den Ausdruck, der in Clarys Augen trat, als Ben-Isaak wieder auftauchte; das Bild wurde durch Uniform und Waffen noch dramatisiert. Er sagte höhnisch: «Da hast du also gesteckt, Ben-Isaak. Und wo ist nun der Krieg?»
    Ed Ayery, der sich Gewehr und Gepäck umgehängt hatte, die ihm ein anderer übergab, wies mit einer Kopfbewegung in die Büsche und sagte: «Dort drüben, etwa hundert Meter weiter.» Damit zeigte er auf den Hügel in der Mitte der Lichtung, auf dem der Stahlhelm aufgepflanzt war.
    Die Bewaffneten hatten jetzt einen Halbkreis um dieses Grab gebildet, die Häupter entblößt, die Hände gefaltet. Dr. Levi und Ed Avery senkten ebenfalls den Kopf. Schlomo Weinberg begann Hebräisch zu sprechen.
    Hannah flüsterte: «Was sagt er?»
    Ben-Isaak erwiderte: «Es war einer ihrer Freunde, Mutter. Er kam aus einem nahen Kibbuz; während der Belagerung im Krieg haben sie zusammen gekämpft. Er ist hier vor drei Wochen in einen Hinterhalt gefallen.»
    Für Sears bedeuteten diese Worte eine erhebliche Erschütterung. Waren sie dem feindlichen Land denn so nahe, und kümmerte sich niemand um den Waffenstillstand? Er hörte schon das plötzliche Losrattern von Feuerwaffen aus dem Dickicht, und vor seinem geistigen Auge sah er bereits Ben-Isaak mit seinen zehn Begleitern von Geschossen getroffen im Gras liegen, keuchend und sterbend.
    «Hier?» fragte Clary ungläubig. «An diesem schönen, friedlichen Ort?»
    Das kleine Gebet für die Ruhe des Toten war zu Ende, und die Gruppe trat zurück an den Rand der Lichtung. Hannah fragte: «Was ist dies für ein Platz? Wo sind wir hier?»
    Dr. Levi erwiderte: «Wir sind am Tel-el Quadi, einer der Quellen des Jordans. Zu unseren Füßen entspringt der Jordan. Die syrische Grenze liegt fünfzig Schritt von hier entfernt.»
    Hannah wirkte verwirrt. Sie wiederholte: «Der Jordan...»
    Dr. Levi zeigte auf die Felsbrocken, die hier aufgetürmt lagen. «Ziemlich sicher hat sich hier in uralten Zeiten der Stamm Dan zum Gericht versammelt. Es gibt eine Legende, nach der beim Jüngsten Gericht der Engel unter dieser Eiche erscheinen wird.» Dann setzte er hinzu: «Wir wollen lieber weitergehen. Die Männer sagen, es sei nicht gut, allzulange hier zu stehen.»
    Doch Hannah wiederholte nur: «Der Jordan...» Sie sagte es schon zum drittenmal. Nun trat ein seltsamer Ausdruck auf ihr grimmiges altes Gesicht, etwas wie Hunger und Verlangen schien sich unter der harten Schale ihres herrischen Wesens zu bilden. Sie sagte zu Dr. Levi: «Nein, ich will noch nicht gehen. Erst möchte ich getauft werden. Ich wünsche, daß man mich im Jordan tauft.» Sie starrte in das dunkle Wasser, das aus dem Boden quoll wie Blut aus einer Wunde. «Meine Sünden sollen vom Jordan weggewaschen werden!» rief sie.
    Sears empfand plötzlich tiefe Verlegenheit, in die sich Besorgnis mischte. Er trat vor und sagte mit einiger Schärfe: «Miss Bascombe, soweit ich höre, ist dies ein unsicherer Platz. Erst vor wenigen Wochen ist hier ein junger Mann getötet worden. Doktor Levi schlägt vor, daß wir weitergehen, wo es weniger gefährlich ist, und wenn ich...»
    Hannah unterbrach ihn schroff: «Seien Sie still! Ich habe Sie nicht gefragt. Ich habe einen Befehl erteilt. Ich wünsche getauft zu werden. Wer wird mich taufen?»
    Niemand antwortete. Ein Ausdruck fast panischer Angst verbreitete sich über Hannahs Gesicht. Sie sagte: «Jeder kann taufen... Doktor Levi, wollen Sie mich nicht taufen?» Alles Gebieterische war nun aus ihr verschwunden, als sie mit seltsam brüchiger Stimme flehte: «Doktor Levi... ich bitte Sie...»
    Aller Augen waren auf sie gerichtet. Kein Laut war in dem Hain als das Murmeln des quellenden Wassers und das gelegentliche stählerne Klirren eines Gewehrs gegen ein Koppel. Dr. Levi sah Hannah durchdringend an und fragte scharf:

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