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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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die Barzillai geschrieben hatte, war als Antwort unmöglich.
    Doch der zweite Schock erschütterte ihn bis ins Mark. Es fiel ihm ein, wo er sich befand. Und wenn es nun doch stimmte? Wenn Barzillai wirklich verstanden hatte, daß Sears sein eigenes Alter angegeben und ihn nach dem seinen gefragt hatte? Und wenn dies nun die Antwort wäre?
    Wie konnte er es prüfen? Er zeigte rasch auf den Jungen, der die Kaffeetassen wieder gefüllt hatte und sie herumreichte. Barzillai nickte lächelnd, nahm abermals den Block und schrieb: «14». Sears spürte, wie ihm ein kalter Schauer über den Rücken rann.
    Doch Barzillai war noch nicht fertig. Er wies auf Amalkeh, dessen Haar schneeweiß war und dessen Haut sich straff über die Schädelknochen spannte, und schrieb: «300». Nun wandte er sich zu dem Ältesten auf der andern Seite von ihm, der das höchste Alter zu haben schien, und setzte mit einem Zwinkern in den Augen die erstaunliche Zahl «410» auf den Block. Dann streckte er die Hand aus und gab dem Patriarchen mit der in jeder Sprache und in jedem Teil der Welt verständlichen Geste mehrere freundliche Klapse auf den Rücken, die deutlicher als alle Worte sagten:
    
    Sears schwindelte der Kopf, doch das lag an den überwältigenden Rechnungen, die ihm durch das Gehirn gingen, und keineswegs an den mitgeteilten Enthüllungen. Er zweifelte nicht im mindesten daran, daß Barzillai die Wahrheit aufgeschrieben hatte. Was ihm jetzt den Schweiß auf die Stirn und das Blut in die Augen trieb, so daß er nicht mehr klar sehen konnte, während seine Handflächen kalt und feucht wurden, war die Blitzrechnung, die er im Kopf angestellt hatte und der seine Vereinbarung mit Hannah zugrunde lag. Was es auch war, was diese Uralten entdeckt oder aus der Vergangenheit bewahrt hatten, wenn er es für Hannah erwerben konnte und sie es aß, wäre er, wenn Hannah neunzig wurde, als kaum Fünfzigjähriger bereits vielfacher Millionär...
    Abermals reichte er die Zigaretten herum und steckte sich selbst eine an, um seine Nerven zu beruhigen. Darauf nahm er Bleistift und Block, riß das benutzte Blatt ab, das er in die Tasche steckte, und begann zu zeichnen. Er hatte schon immer eine Begabung dafür, rasche, erkennbare Karikaturen zu skizzieren.
    So bemühte sich Sears nun, in der Art der Bildergeschichten für die Zeitungen seine Geschichte in einer Reihe von leicht erkennbaren Bildern zu erzählen.
    Da war ein Baum, in dessen Mitte ein Herz schlug; an einem Ast hing eine Frucht, von einem Strahlenkranz umgeben, in dessen Nähe unverkennbar Barzillai stand, während Hannah ihm flehend die Hand entgegenstreckte; das sollte Hannahs Wunsch nach der Frucht vom Baum des Lebens darstellen.
    Um Hannahs Reichtum und Bedeutung zu zeigen, setzte er sie auf eine Wolke, die über den Umrissen der Vereinigten Staaten schwebte; in das Land zeichnete er Schiffe, Eisenbahnen, Fabriken, Farmen, Bergwerke, Viehweiden, Wälder, die alle durch dünne Linien wie Zügel mit Hannahs Händen verbunden waren, während er von ihrem Kopf die klassischen Radio-Zickzackwellen ausgehen ließ, um darzustellen, daß ihr Gehirn das ungeheure Reich ihrer Besitzungen regierte.
    Das nächste Bild wiederum zeigte ihn selbst und Hannah, die hinter ihm stand, die rechte Hand auf seine Schulter gelegt, in der unverkennbaren, jahrhundertealten Stellung des Vertrauens. Er hätte es nicht deutlicher aussprechen können: Danach zeichnete er die ängstliche Hannah, in ihrer Steinhütte am Fenster sitzend, wartend, von Zweifeln und Verlangen gequält. Damit hinsichtlich der Folterqualen kein Irrtum entstehen konnte, fügte er mehrere kleine Kobolde mit Mistgabeln hinzu, die nach ihrem Kopf stachen. Nun kam er sich schon sehr wichtig vor.
    Aus der Lebhaftigkeit, mit der seine Zeichnungen von Hand zu Hand gegeben und von allen besprochen wurden, sah er, daß er auf dem rechten Wege war.
    Er fühlte sich wie ein guter Erzähler, der sein Publikum aufgetaut hat; nun war er so weit, daß er den Hut aus der Stirn schieben, die Ärmel hochrollen und sagen könnte:
    Er beherrschte sich, fixierte jedoch Barzillai mit einem festen und berechnenden Blick, während er die letzte Zeichnung begann. Er fesselte sofort die Aufmerksamkeit des Oberältesten, denn es war ein schmeichelhaftes Bild von

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