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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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nun sah sie, gewissermaßen zu ihren Füßen, den Besitz der ganzen Welt, der in ihre Hände fallen sollte. Da saß sie nun, eine verwelkte und vertrocknete Königin, auf einem Schmutzhaufen, die Eigentümerin und Besitzerin von allem, was das Erdenrund bedeckte, bis hinunter zum letzten Balken und Stoffetzen, den der Mensch zum Dach oder dazu benutzte, seine Blöße damit zu verhüllen.
    Wann war sie zum letztenmal glücklich gewesen? Jetzt konnte sie sich erinnern. In Nazareth und Galiläa und in den Hügeln von Judäa. Auch Ben-Isaak war das Glück, der Ausdruck in seinen Augen und das Liebkosen seiner Stimme, wenn er sie Mutter nannte — mit dem sanften hebräischen: Im-ma.
    Erinnerungen an Dinge, die ihr eine jähe, fast schmerzhafte Freude gebracht hatten, stiegen in ihr auf: der Anblick eines braunen, schwitzenden Rückens in der heißen Sonne, während eine Heimat der Wüste entrissen wurde; der grüne Schleier junger Bäume, die einen während langer dürrer Jahrhunderte von jedem Laub entblößten Berghang bedeckten; der Schwung eines Hügels in Galiläa, das tiefe Blau des Sees und die zahllosen, winzigen bunten Muscheln an seinem Ufer.
    Und jenseits von diesen dunklen eisigen Bergen im Westen, wo jetzt der große Stern funkelte und noch einen letzten Augenblick aufleuchtete, ehe er unterging, hatte ein Mann gesagt: «Wer an mich glaubt, der hat das ewige Leben.»
    Sie wurde zurückversetzt in jenen Zypressenhain mit dem einen glatten Pfeiler von der Synagoge in Kapernaum, wo jedes Blatt, jeder Stein und Grashalm, jeder Erdhügel, Zweig und Ast ausrief, daß hier Jesus wirklich einmal gestanden und die Worte gesprochen habe, die die Welt bewegen sollten:
    «Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten...»
    Damals wurde dem Menschen die Ewigkeit zum Geschenk gemacht. «Wer mein Fleisch isset und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.»
    Abermals wandten sich Hannahs Gedanken ihrem Vater zu, den sie so sehr zu lieben geglaubt und dem sie ihr ganzes Leben geweiht hatte. Um seinetwillen war sie bereit gewesen, selbst den Frieden und die Ruhe zu opfern, die der Tod bringt. Er schien ihr jetzt sehr nahe, und sie hatte das Gefühl, er müsse gewußt und ihr verziehen haben, daß ihre Liebe sündig und sie selber schwach, menschlich und verderbt war.
    Sehnsucht nach ihm stieg in ihr auf, und schmerzende Trauer erfüllte sie, als sie sich erinnerte, wie sie sich beide geliebt hatten und wie blind und unfruchtbar diese Liebe geblieben war.
    Doch wer war ihr Vater? Was war er? In einem Anfall panischer Angst fühlte Hannah, daß sie es nicht wußte, daß sie gleichsam zwischen den Schichten des Weltalls hing, aufgegeben und auf immer verloren.
    Laut rief sie: «Vater —Vater!»
    Nach wem hatte sie gerufen? Wer war ihr Vater? War es «Eisen-Ike», der sie sein Leben lang gehätschelt und verwöhnt hatte und der nun in seinem Mausoleum in San Francisco — eine Million Dollar Baukosten — verweste? Oder Dr. Levi, der um ihre Seele kämpfte, seit sie nach Israel gekommen war?
    Oder war er es, der hinter dem Gewölbe der Sterne wohnte, hinter jener Kuppel ewiger Geheimnisse des syrischen Himmels?
    Ihre Lippen formten Worte: «Vater unser, der du bist im Himmel... geheiligt werde dein Name...»
    Sie spürte, wie Frieden und Begreifen in sie hineinströmten, Zwillingsströme von Himmel und Gebirge. Sie fuhr fort: «Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden.» Sie sprach die Worte des Gebetes, das Jesus seine Jünger gelehrt hatte, bis zu Ende.
    Die Sterne verblaßten, und es wurde heller. Hinter ihr erglühte die Spitze des Hermon. Dann glitt der erste Strahl der wiederkehrenden Sonne am Gipfel vorbei und brach sich in dem glasierten Tiegel neben ihr, und Hannah Bascombe betrachtete ihn mit einem kleinen Schauder.
    Denn nun erschien ihr alles so klar, was noch einen Augenblick zuvor dunkel, furchteinflößend und verworren gewesen war. Sie wußte nicht genau, was in dieser Substanz, von einem kunstlosen Volk mit uralten und einfachen Glaubensvorstellungen bereitet, enthalten war oder welche Eigenschaften sie wirklich zeigte, falls sie sie zu sich nahm. Sie wußte nur, und darin bestand nun nicht mehr der leiseste Zweifel, daß die Ewigkeit nicht in einem glasierten Tontiegel enthalten war, und daß sie, Hannah Bascombe, nicht das geringste damit zu schaffen

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