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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Gute zu teilen, das fünf Jahrtausende Kampf gegen sich selber seinen Glaubensgenossen eingeflößt hatte.
    Dieses Israel, so schloß er, das zu dem zurückkehrte, was unmittelbar vor ihm lag, konnte jedem helfen, der nicht schon über die Grenze gelangt war und sich für immer jenseits jeder Hilfe befand. Das war das, was er Clary nicht hatte sagen wollen. Und doch — wenn sie diesen Mann liebte, der nicht böse war, sondern nur töricht, irregeleitet und schwach, dann mußte auch sie dem, was vor ihr lag, ins Auge sehen. Er hatte Mitleid mit ihr, was würde sie finden? Er wollte ihr aber nicht das Menschenrecht verweigern, durch Leiden zu wachsen.
    Sie kam zurück, in einen Kamelhaarmantel gehüllt, eine Taschenlampe in der Hand. Dr. Levi bemerkte, daß die Furcht und Angst aus ihrem Gesicht verschwunden waren. Sie hatten einem Ausdruck der Selbstbeherrschung Platz gemacht, in die sich Entschlossenheit und jene Gelassenheit mischten, wie sie Frauen eigen ist, die einen unwiderruflichen Entschluß gefaßt haben.
    Sie schob ihren Arm in den seinen. Eine kleine Gestalt kroch aus dem Schatten, und sie sahen das Weiße in den verängstigten Augen. Es war der Dorf junge. Dr. Levi sagte zu ihm in seiner Sprache: «Komm. Du brauchst mir nur zu zeigen, welche Höhle es ist, dann kannst du rasch wieder weglaufen, so weit, wie du willst.» Er streckte die Hand aus, die das Kind eifrig ergriff, und so stiegen die drei den vom Dorf schräg wegführenden Pfad hinauf, der zu den dunklen Mündungen der Höhlen leitete, von denen die Gebirgswand durchzogen war.
    Sears’ Fehlen war bemerkt worden, als die Gruppe sich außerhalb des Dorfes versammelte, um den Rückmarsch nach Israel anzutreten. Alle hatten sich von den Gastgebern verabschiedet und waren bereit, den Abstieg in den Hauran zu beginnen, als Clary darauf hinwies, daß Sears nicht da sei. Niemand konnte sich genau erinnern, wann er ihn das letzte Mal gesehen hatte.
    Bei einer raschen Durchsuchung des Quartiers und der unmittelbaren Umgebung wurde er nicht gefunden; er antwortete auch nicht auf die Rufe, deren Echo die Schlucht zurückwarf. Als auch eine einstündige Suche der Palmach-Männer unter Avery, Schlomo und Ben-Isaak kein Ergebnis brachte, hatte Dr. Levi den Aufbruch verschoben.
    Während die Stunden vergingen, ohne daß sich die geringste Spur von Sears fand, machte er sich bereits darauf gefaßt, daß sie von einer wirklichen Tragödie, die ihnen bisher erspart geblieben war, betroffen worden sein könnten. Dr. Levi kannte nicht den genauen Wortlaut der Vereinbarung zwischen Hannah Bascombe und Sears; es war ihm jedoch klar, daß nach Sears’ Standpunkt für ihn alles davon abhing, daß Hannah die Substanz aß, die ihr der Rat von Beit Jebel zum Geschenk gemacht hatte. Von Anfang an waren er und Sears in einen Kampf um Hannah Bascombes Seele verstrickt gewesen. Sears hatte verloren, und aus diesem Grunde fürchtete Dr. Levi um ihn.
    Dabei dachte er nicht an göttliche Gerechtigkeit oder Strafe Gottes, denn Dr. Levi glaubte nicht an eine Polizeigottheit. Anderseits war er Jude, ein frommer Mann, und zudem Wissenschaftler und Menschenfreund, und kannte genau die selbstzerstörerischen Kräfte des Bösen; er wußte, wenn ein Mensch gegen Gott, gegen die Natur oder seinen Nächsten sündigte, hatte er bereits die Saat seiner eigenen Strafe gesät, mußte selbst den Urteilsspruch gegen sich fällen und die Strafe bis zum bitteren Ende ableisten. Er war sich Gottes im Menschen bewußt; er glaubte, wenn die Wirkung des Bösen ihn leugnete und seine Anwesenheit unmöglich machte, entstehe im Menschen eine Gleichgewichtsstörung, die früher oder später seine Vernichtung heraufführen mußte, da nach Dr. Levis Philosophie kein Mensch ohne Gott zu leben vermochte.
    Er hielt es für durchaus möglich, daß Sears, als er von Hannahs Zurückweisung der Frucht vom Baum des Lebens hörte, seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hatte. Und als der Junge mit seinem Bericht über das heulende Wesen in der Höhle kam, fürchtete er, Sears sei sogar etwas noch Schlimmeres zugestoßen.
    Es war später Nachmittag, als sie den schmalen Sims erreichten, der an der senkrechten Felswand entlanglief. Der Junge, der sich ängstlich an Dr. Levis Hand klammerte, führte sie an den fünf großen Höhlen vorbei, die das Dorf beherrschten, und kletterte dann höher zu der einen, die Dr. Levi nach prähistorischen Geräten und Relikten bereits durchsucht hatte. Schließlich zeigte er auf eine

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