Jahrmarkt der Unsterblichkeit
Israel braucht Nahrung, um all die zu speisen, die noch kommen. Und du wirst sehen, wie ich mich um dich kümmere, wenn du nur bei uns bleiben wolltest.»
Hannah erwiderte: «Ganz etwas anderes würdest du tun. Du würdest dauernd weg sein, irgendwo gegen die Araber kämpfen, Soldaten ausbilden oder Fleere führen.»
«Nun, wenn das wirklich geschehen sollte, kleine Kriegermutter, dann verspreche ich dir, daß ich dich mitnehme; dann fährst du in meinem Jeep. An dem Tag, an dem wir gegen die Banditen kämpften, habe ich gesehen, daß du nicht mehr Furcht hast als ich. Bleib hier, Im-ma, wir brauchen Menschen wie dich in Israel.»
«Hast du schon mit Clary gesprochen, Ben-Isaak?»
«Nein, aber ich werde es bald tun.»
«Glaubst du, daß Clary dich liebt, Ben-Isaak? Sie ist älter als du.»
Er sah sie an — zum erstenmal unsicher. «Ich werde sie dazu bringen, mich zu lieben. Und ich war schon alt, als ich noch ein Kind war, Im-ma. Unser Land wird mit mir um sie werben. Sie kann nicht widerstehen.»
Hannah sagte: «Setz mich ab, Ben-Isaak.» Und als er es getan hatte, ging sie eine Weile schweigend neben ihm und sagte dann: «Frauen sind seltsame Geschöpfe, und Clary ist ein seltsames Mädchen. Sie hat nie einen Menschen geliebt. Sie hat nur den Luxus geliebt, und den bot ich ihr. Ich verstehe zwar nichts von Liebe, aber ich möchte nicht, daß es dir das Herz bricht.»
Er wollte sich nicht entmutigen lassen. «Du wirst auf unserer Hochzeit tanzen, Im-ma, wenn du nur hierbleibst.»
Hannah lächelte wieder. Doch in Wirklichkeit war ihr das Herz bei dem Gedanken an den Abschied schwer.
Sears marschierte häufig neben Dr. Levi, denn er hatte vieles auf dem Herzen. Als sich zum erstenmal die Gelegenheit ergab, fiel er neben ihm in Schritt und sagte: «Danke, Doktor.»
Dr. Levi erwiderte: «Gern geschehen.»
«Mir war ziemlich elend dort in der Höhle, wissen Sie.»
Dr. Levi nickte ernst. «Ja, das glaube ich.»
«Es ist noch immer nicht alles gut, da sind noch viele Dinge, auf die ich keine Antwort weiß.»
Der alte Mann nickte abermals. «Es gibt vielleicht sogar Dinge, die niemals beantwortet werden. Bei andern kann ich möglicherweise helfen.» Er lächelte Sears herzlich und ermutigend zu, und darauf brach der junge Mann aus: «Diese Burschen dort in dem Dorf, die drei- und vierhundert Jahre alt sind...»
«Wer von ihnen war es denn?»
«Barzillai, Amalkeh.» Er hielt inne, denn als er an sie und ihre Alterslosigkeit dachte, kehrten die früheren Ängste wieder zurück. Wie konnte er es je genau wissen?
Dr. Levi fragte: «Wer sagt, daß sie drei- und vierhundert Jahre alt sind?»
«Sie selbst», erwiderte Sears, «aber...» Er überlegte und fluchte dann: «Verdammt! Oder ob es gar nicht stimmt?»
«Vielleicht.»
«Aber sie waren alt. Sie sahen alt aus. Der Gerber, der seine Häute mit einem prähistorischen Feuersteingerät schabte...»
«Ach ja, interessant, nicht wahr? Ich sagte ja, daß man so etwas dort finden würde. Und haben Sie gesehen, daß die Frauen das Korn mahlten wie vor zehntausend Jahren? Solche Bilder regen die Phantasie mächtig an.»
«Aber wie alt waren sie dann wirklich?»
«Wer kann das sagen? In diesem Klima und bei einem Leben unter solchen Bedingungen, ohne jeden Druck des modernen Lebens und mit dem Glauben an den Inhalt ihres kleinen Zaubertopfes, könnten einige von ihnen durchaus ein ungewöhnliches Alter erreichen. Manche erinnerten sich wirklich erstaunlicher Dinge — wenn man es historisch betrachtet.»
«Was zum Beispiel?»
«Soldaten», erwiderte Dr. Levi, «an die Soldaten von Napoleon, Soleiman und — Löwenherz! Aber in einer primitiven Gemeinschaft, in der es nichts Gedrucktes gibt, kann man niemals genau sagen, was aus eigener Erinnerung stammt und was als Legende in die Erinnerung einging und vom Vater auf den Sohn weitergegeben wurde.»
Sears spürte, wie die Angst und Verzweiflung zurückkehrten, die ihn in Beit Jebel gequält hatten. «Aber wenn es gar nicht stimmt, daß sie so lange leben, weshalb dann dieser Schwindel?»
Dr. Levi lächelte. «Ich habe den Verdacht, daß auch dieser schon sehr alt ist», erwiderte er, «genaugenommen stammt er wohl sogar aus der Bibel. Der Herr belohnt die, die ihm treu ergeben sind. Wenn man den Wunsch hätte, die sittlichen Grundsätze der Gemeinschaft zu heben, wie könnte man das besser erreichen als dadurch, daß man bekanntmacht, die in den Augen Gottes Würdigen seien zu einer Lebensdauer
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