Jahrmarkt der Unsterblichkeit
auserwählt, die fast an ewiges Leben grenzt. Damit bleiben die, die diese Wahl treffen, an der Macht, und die nicht Eingeweihten bemühen sich um gutes Verhalten.»
Sears dachte darüber nach. Dann rief er: «Aber das würde man ihnen doch nicht glauben! Der Betrug muß doch herauskommen. Wenn einer von den Erwählten sich hinlegt und stirbt, erfährt doch das ganze Dorf, daß das Zeug Schwindel ist — damit ist das Spiel aus.»
Dr. Levi lächelte abermals. «Ach, ich dachte, Sie hätten bemerkt, wie einfach und gescheit sie diese Möglichkeit verhindert haben. Niemand weiß, wer die Substanz erhielt und wer nicht. Die Ältesten wahren das Geheimnis wegen der Macht, die es ihnen sichert. Und der Empfänger, der die Geheimhaltung beschwören muß, wird niemals darüber sprechen.»
Sears sagte: «Ich könnte mir denken, wenn einer ganz fest daran glaubt, lebt er tatsächlich länger.»
«Das ist wohl möglich.»
Sears schwieg eine Weile. Dann: «Und wenn Hannah es nun eingenommen hätte?»
«Ach», sagte Dr. Levi, «sie hat’s ja nicht getan.»
«Wissen Sie, ich glaube, Sie haben sich nie etwas weismachen lassen. Sie haben von Anfang an gewußt, daß das Zeug nicht hält, was es verspricht, stimmt’s?»
Dr. Levi wandte Sears die verständnislosen blauen Augen zu. «O nein. Das habe ich nicht gewußt. Ich weiß es selbst jetzt noch nicht.»
Sears starrte ihn an, und das alte Entsetzen kehrte zurück. «Aber in der Höhle sagten Sie mir doch...»
«Daß ich nicht daran glaube, weil ich nicht abergläubisch bin. Sie erinnern sich, daß ich davon sprach, wie der Glaube an Gott und der Aberglaube nicht nebeneinander bestehen könnten. Glauben Sie an Gott, dann haben Sie nichts zu fürchten.»
Trotz all seiner inneren Angst trat ein störrischer Ausdruck auf Sears’ Gesicht. «Dann habe ich also keine andere Wahl, als an Gott zu glauben...»
«Am Ende kommt jeder Mensch zu der Erkenntnis, daß es wirklich keine andere Wahl gibt.»
Dr. Levi schwieg eine Weile, während er neben Sears dahinstapfte. Dann schaute er ihn verständnisvoll an und sagte: «Aber wenn Ihnen das helfen kann, will ich Sie daran erinnern, daß ich Naturwissenschaftler bin.»
«Und wie könnte mir das helfen?»
«Jede pragmatische Einstellung zu einer Frage erfordert das Experiment...»
Sears starrte ihn an. « Sie haben von dem Zeug...»
Dr. Levi sah ihn fast schuldbewußt an. Er sagte: «Vor zehn Jahren, als ich dieses Dorf zum erstenmal besuchte, drängte ich Barzillai, mich eine Quantität der Substanz verzehren zu lassen — als Versuch, wie Sie verstehen werden. Und...» In Dr. Levis Augen leuchtete der Schalk auf. «Ich bin seither sichtlich gealtert.»
Sears betrachtete den alten Mann mit einem Gefühl, das nicht weit von Zuneigung entfernt war. Doch dann sagte er: «Sie haben eben nie daran geglaubt. Das hilft mir immer noch nicht entscheidend weiter.»
«Natürlich», erwiderte Dr. Levi heiter. «Aber ich glaubte, daß Sie bei einer praktischen Demonstration einigen Trost finden würden.»
Nun war es Sears, der eine Weile schweigend dahinwanderte.
Dann fragte er: «Doktor Levi, weshalb haben Sie Hannah nach Beit Jebel geführt?»
«Das sagte ich Ihnen bereits.»
«Was? Um das Versprechen zu erfüllen, das Ben-Isaak ihr in San Francisco gegeben hat? Das kaufe ich Ihnen nicht ab. Welches war der wirkliche Grund?»
Dr. Levi sah Sears ernst an. «Sollten Sie, der ins Herz des Berges Hermon eindrang und als ein anderer Mensch daraus hervorging als der, der Sie früher waren, das wirklich nicht wissen?»
Sears gab keine Antwort. Er dachte, daß er es vielleicht wisse, doch er wollte nicht gern darüber nachdenken. Er war noch nicht bereit, diesen Dingen ins Auge zu sehen.
Ben-Isaak fragte: «Clary, willst du mich heiraten und die Frau eines Bauern werden?»
«Nein, Ben-Isaak. Aber ich bin sehr stolz, daß du mich gefragt hast.»
«Bist du das wirklich, Clary? Wie rasch das Nein über deine Lippen kam! Ich frage dich, weil ich dich liebe.»
«Ben-Isaak, Lieber — ist es nicht besser, ehrlich zu sein?»
«Du hast mich niemals wirklich geliebt, nicht wahr, Clary? Nicht einmal an jenem Abend, als ich dich im Arm hielt und dein Herz schlagen fühlte.»
«Ich liebe dich sehr zärtlich...»
Sie rasteten in derselben felsigen Schlucht nahe der Grenze, wo sie in der ersten Nacht kampiert hatten, und warteten darauf, daß der Mond unterging, um die Überquerung der Grenze nach Israel zu versuchen. Ed Avery und Schlomo
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