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Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Jahrmarkt der Unsterblichkeit

Titel: Jahrmarkt der Unsterblichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Liebhaber, nicht Selbstmord, sondern Langlebigkeit zu begehen.»
    Sears krächzte: «Mit wem wollen Sie da Ihre Witze machen? Machen Sie sich etwa über mich lustig?»
    Dr. Levi nickte feierlich: «Ja, in der Tat. Das ist ebenfalls etwas, womit Sie sich abfinden müssen. Wenn Sie gerettet werden wollen, müssen Sie zunächst lächerlich gemacht werden. Wir alle müssen ein bißchen lächerlich erscheinen, ehe es vorüber ist. Und die Rettung für einen jeden Menschen ist die, daß Gott niemals lächerlich ist.»
    Sears, der sich bemühte zu folgen, schüttelte wieder den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen. «Das verstehe ich nicht», sagte er.
    «Darauf kommen wir noch. Wieviel von der Substanz haben Sie denn gegessen?»
    «Alles.»
    «Und was glauben Sie, welche Wirkung sie auf Sie ausüben wird?»
    «Die gleiche wie bei den andern — bei Barzillai, bei dem Priester und bei dem alten Gerber — daß ich drei-, vierhundert Jahre alt werde.»
    «Und das glauben Sie immer noch?»
    «Ja», erwiderte er. «Ist es etwa nicht wahr?»
    «Nein», sagte Dr. Levi.
    In dem lastenden Schweigen in der düsteren Höhle hörten alle drei das Ticken von Sears 1 Armbanduhr, denn es dauerte eine Zeit, bis dieser Dr. Levis Antwort begriffen hatte. Dann rief er: «Was?»
    Der Alte wiederholte ruhig: «Ich sagte, nein, es ist nicht wahr.»
    Clary war fast ebenso erschüttert wie Sears. Sie sagte: «Dr. Levi, wollen Sie einen Scherz machen?»
    «Jetzt nicht. Später werden wir darüber scherzen.»
    Sears blickte verständnislos drein. «Was meinen Sie damit: es ist nicht wahr?»
    «Ich meine, daß Sie die doppelte Menge dieser Substanz hätten essen können, die zehnfache, die hundert- oder die tausendfache Menge. Ein ganzes Jahr lang könnten Sie täglich den Inhalt eines solchen Topfes essen. Sie könnten, wenn das möglich wäre, von nichts anderem leben, und am Ende würde das doch nicht einmal zehn Minuten, ja nicht einmal zehn Sekunden zu Ihrer normalen Lebensspanne hinzufügen.»
    Erleichterung trat in Sears’ Augen, die jedoch sofort wieder von Zweifel verdrängt wurde.
    «Was wollen Sie mir da weismachen? Sie haben uns doch selber hergebracht. Sie haben Hannah berichtet, daß Sie die Frucht vom Baum des Lebens entdeckt hätten, und haben uns selber hierhergeführt, damit sie sie erhielt.»
    «Vielleicht wollten Sie das hören, aber gesagt habe ich es nicht. Ich hatte mich lediglich erboten, Miss Bascombe zu einem Dorf zu führen, wo einige sehr alte Menschen lebten und wo die Legende von der Frucht vom Baum des Lebens aus biblischen Zeiten erhalten geblieben war. Doch da es keinen Baum des Lebens gibt und niemals gegeben hat - wie kann es dann eine Frucht von diesem Baum geben?»
    «Dann ist die ganze Sache also eine Täuschung, ein Schwindel?»
    «Ach», erwiderte Dr. Levi, «ich zweifle nicht daran, daß die Dorfbewohner daran glauben. Es ist nur so, daß ich es nicht glaube. Sehen Sie, Mr. Sears, ich bin zufällig gar nicht abergläubisch.»
    Sears rief: «Bei Gott, ich wünschte, ich wüßte, was nun wahr ist und was Sie wirklich glauben!»
    «Das haben Sie bereits gesagt», entgegnete Dr. Levi. «Ich glaube an Gott.»
    Sears starrte ihn an und versuchte den Ausdruck seines Gesichts zu ergründen.
    «Es ist wirklich ganz einfach», fuhr Dr. Levi fort. «Man kann nicht an Gott und gleichzeitig an irgendeinen Popanz glauben. Für beide nebeneinander ist kein Platz. Um von dem einen befreit zu sein, muß man den andern entlassen.»
    Sears bemühte sich heftig, das zu verstehen. Er wiederholte langsam: «Wenn ich an Gott glaubte, dann — dann brauchte ich nicht an — dieses zu glauben.»
    «Ist das nicht durchaus vernünftig?»
    «Wie kann ich das schaffen? Was muß ich dazu tun?»
    Dr. Levi sagte: «Fragen Sie ihn — es ist gar nicht schwer.»
    Sears sank plötzlich wieder zusammen und legte abermals die Hände vors Gesicht. «O Gott, hilf mir!» stöhnte er.
    Dr. Levi stand auf. «Ja», sagte er, «möge Gott Ihnen helfen. Er hat noch niemals einen Menschen im Stich gelassen. Gute Nacht.»
    Er drehte sich um, schaute die beiden noch einmal an und lächelte ihnen freundlich zu; dann schritt er durch den inneren Bogengang der Höhle nach draußen. Bald erstarb der Klang seiner Schritte, und das schwankende Licht seiner Lampe war nicht mehr zu sehen.
    Nach einer Weile sagte Sears: «Wenn es so ist, wie ich es sehe, bin ich verloren. Ist es jedoch so, wie er sagt, bin ich der albernste Narr, der jemals gelebt hat.»
    Clary

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