Jahrmarkt der Unsterblichkeit
waren mit den Palmach-Männern ausgezogen und patrouillierten durch das Gebiet, doch Ben-Isaak war zurückgeblieben. Er war ohne Waffen. Clary hatte bemerkt, daß Ben-Isaak seit dem Gefecht in der Schlucht und ihrer Ankunft in Beit Jebel nie mehr Waffen trug. Auf dem Felsen, auf dem Sears während der ersten Nachtwache gesessen und mit Ben-Isaak gesprochen hatte, hockte nun Clary, und der Junge lag ihr zu Füßen und blickte zu ihr auf. Er sagte: «Ich habe Hannah erzählt, daß ich dich heiraten wolle. Sie sagte, du hättest nie einen Menschen geliebt, sondern nur den Luxus. Ist das wahr, Clary?»
«Es war einmal so, Ben-Isaak.»
«Aber du hast dich geändert. Ja, du hast dich geändert. Ich auch. Ich will nicht mehr töten. Ich möchte Dinge wachsen lassen.»
Clary fiel etwas ein. «Wie der Russe mit dem kleinen Baum...»
«Er war ein besserer Mensch als ich. Ich habe einen Araber mit einem Bauchschuß getötet, aber der Russe hat etwas für Israel zum Leben erweckt. Und Onkel Nathanael nahm meine Sünde auf sich.»
Clary sagte: «Du hast in Notwehr gehandelt, Ben-Isaak.»
Er nickte. «Ja, ich weiß. Aber das ändert nichts daran. Es bleibt dennoch eine Sünde, zu töten. Mein Onkel hat recht. Wir haben viele Stunden lang darüber gesprochen. Ich möchte werden wie er, Clary.»
Sie sagte: «Das wird auch geschehen, Ben-Isaak. Er ist der beste Mensch, den ich kennengelernt habe. Du bist wie er — tapfer, ritterlich, ehrlich.»
Er griff nach ihrer Hand.
«Bleib hier bei mir, Clary. Du weißt noch nicht, was Liebe ist. Du wirst lernen, mich zu lieben, wie ich dich liebe, und Israel zu lieben, wie Israel dich zur Belohnung lieben wird, wenn du für das Land gearbeitet hast. Israel hat im Sterben gelegen, und gemeinsam werden wir dazu beitragen, daß es wieder zum Leben erwacht.»
«Aber, Hannah...», wollte Clary beginnen, als der Junge sie unterbrach.
«Hannah wird hierbleiben», sagte er leidenschaftlich. «Du wirst es sehen. Hannah wird Israel nie wieder verlassen. Sie kann es nicht mehr.»
Als sie über seine Zuversicht lächelte, rückte er neben sie auf den Felsen und sah aus wie ein junger Faun, glühend und schön, wie er da im Licht des Mondes, umgeben vom Duft der nächtlichen Blumen, um sie warb.
«Clary», sagte er, «hab doch Mut! Hör auf dein Herz...»
Sie stieß einen kleinen Laut aus. «Ach, Ben-Isaak, Lieber — das tue ich ja.»
Zum erstenmal begann Ben-Isaak zu verstehen. Er ließ ihre Hand nicht los, doch er saß schweigend neben ihr und bemühte sich, über die quälende Erkenntnis hinwegzukommen.
Schließlich fragte er: «Joe Sears?»
«Ja.»
Der Junge schrie vor Zorn fast auf: «Wie kannst du das tun! Wie kannst du so einen Burschen lieben! Du weißt doch, was für ein Mensch er ist!»
Sie antwortete nicht, und eine Weile später fragte er: «Liebt er dich? Doch, er muß dich lieben.»
Clary schüttelte den Kopf. «Ich weiß es nicht. Und ich glaube, er weiß es auch nicht. Vielleicht ist er überhaupt nicht imstande zu lieben — so wie ich früher. Ich muß nun zurückgehen, Ben-Isaak.»
«Warum, Clary? Ich würde dich lehren, Sears zu vergessen.»
Sie drehte sich zu ihm zurück. «Es geht um viel mehr als um Joe, Ben-Isaak. Doch das wäre eine zu lange Geschichte, und ich muß zurück. Ich habe eine Verabredung mit meiner Selbstachtung. In meiner Heimat. Ich habe dort ein ungelebtes Leben zurückgelassen. Das muß ich in Ordnung bringen.»
«Allein?»
«Ja», entgegnete sie, «wenn es nötig ist, ganz allein.»
Da zeigte sich, wie und was er war: ein verständnisvoller und feinfühliger Mensch, der Junge, der zum Mann geworden war. Er sagte: «Es gibt noch andere Wildnisse und Wüsten als Sand und Gebirge, die zum Blühen gebracht werden müssen. Bisweilen findet man sie in seinem Innern. Viel Glück, Clary, möge Gott dich segnen!»
Er bückte sich, küßte sie, und einen Augenblick lang klammerten sie sich aneinander.
Sears kam vorbei. Er sagte: «Die Burschen sind zurück. Es ist alles klar. Wir brechen in zehn Minuten auf.»
33
Du willst ein wenig schlafen und ein wenig schlummern und ein wenig die Hände zusammentun , daß du ruhest.
Sprüche 24 , 33
Sie überschritten die Grenze nach Israel ohne Mühe und wurden oberhalb von Dan von den Jeeps erwartet. In dieser Nacht schliefen sie in den Wohnwagen in Metulla. Dort fanden sie Post aus den Vereinigten Staaten. Am nächsten Tag schien Hannah wieder von ihren Geschäftsinteressen in Anspruch genommen zu
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