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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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vor Neid, nicht eben glücklich, ein wenig auf Kosten Jakobs, dennoch unvergleichlich gelungener als das wirkliche Ende, ich habe es mir in Jahren zusammengezimmert.
    Ich habe mir gesagt, eigentlich jammerschade um eine so schöne Geschichte, daß sie so armselig im Sande verläuft, erfinde ihr ein Ende, mit dem man halbwegs zufrieden sein kann, eins mit Hand und Fuß, ein ordentliches Ende läßt manche Schwäche vergessen. Außerdem haben sie alle ein besseres Ende verdient, nicht nur Jakob, das wird deine Rechtfertigung sein, falls du eine brauchst, habe ich mir gesagt und mir also Mühe gegeben, wie ich meine mit Erfolg.
    Aber dann sind mir doch starke Bedenken gekommen betreffs der Wahrhaftigkeit, es klang im Vergleich einfach zu schön, ich habe mich gefragt, ob es gutgehen kann, wenn man irgendeinem traurigen Tier aus Liebe den prächtigen Schwanz eines Pfauen anhängt. Ob man es dann nicht verunstaltet, dann fand ich doch, daß der Vergleich hinkte, aber einig geworden bin ich mir nie. Und jetzt stehe ich da mit den zwei Enden und weiß nicht, welches ich erzählen soll, meins oder das häßliche.
    Bis mir einfällt, alle beide loszuwerden, nicht etwa aus fehlender Entscheidungsfreudigkeit, sondern ich denke nur, daß wir auf diese Art beide zu unserem Recht kommen. Die von mir unabhängige Geschichte einerseits, und andererseits ich mit meiner Mühe, die ich mir nicht umsonst gemacht haben möchte.
    Also zuerst ein Ende, das sich nie ergeben hat.

    Kowalski darf Auferstehung feiern, Fensterkreuz und Schnur werden von ihm keines Blickes gewürdigt, denn Jakob verzichtet auf das Geständnis. Sie unterhalten sich an dem bewußten Abend über belangloses Zeug, obwohl Jakob der Sinn nach anderem steht, aber Kowalski braucht davon nichts zu merken.
    Später erst, als er wieder alleine ist, wird Jakob sich klar, daß es seine schwindenden Kräfte übersteigt, mit den Radiolügen fortzufahren, dazu noch auf ungewisse Zeit. Dennoch soll der wahre Sachverhalt nicht nach außen dringen, Jakob malt sich aus, welche Folgen das hätte, zum Beispiel könnte er befürchten, daß dann die Reihe von Selbstmorden, die für einige Zeit glücklich unterbrochen war, von neuem aufleben und ins Unermeßliche wachsen würde.
    Die folgenden Nächte, die ja nun durch das Wegfallen aller Selbstvorwürfe wegen Kowalskis Tod frei werden, diese Nächte verbringt Jakob mit der Suche nach einer letzten glaubhaften Lüge. Sie soll erklären, warum das Radio aufgehört hat zu spielen, er muß diese schlimmste aller Plagen loswerden, aber die Lüge will ihm nicht einfallen, die ist schwerer zu finden als alle bisherigen.
    Ich stelle mir einen Moment lang vor, Jakob wäre auf die simple Idee gekommen zu behaupten, das Radio sei ihm gestohlen worden. Gestohlen wird im Ghetto viel, warum nicht auch ein Radio, man hat schon Gegenstände von geringerem Wert und Nutzen vermißt. Ich stelle mir vor, ein ganzes Ghetto sucht den gewissenlosen Dieb, man sieht sich nur noch prüfend in die Augen, Besuche dienen nur noch der Tarnung von Inspektionen. Am Abend horcht jeder an der Tür seines Nachbarn, vielleicht hat er gerade Radio London eingeschaltet, vielleicht ist er dieser gemeine Mensch, hat er nicht schon immer so etwas Eigenartiges im Blick gehabt, wovor einen die innere Stimme gewarnt hat? Nur eins kann man nicht begreifen, welcher Vorteil erwächst dem Dieb aus seiner Untat, doch keiner, er wird jetzt auch nichts anderes erfahren, als er ohnehin von Jakob oder einem der Zubringer gehört hätte, nur die übrigen tappen im Dunkeln, wo liegt da der Sinn? Wie anders soll man sich seine Motive erklären als mit einer durch und durch niederen Gesinnung? Ich stelle mir weiter vor, die Suche nach dem Dieb nimmt beängstigende Formen an, daß sich eine Art illegaler Exekutive bildet, die nach Feierabend Haus für Haus durchkämmt. Und nehmen wir an, unter den einigen tausend Bewohnern ist noch so ein Mensch wie Felix Frankfurter, ein einziger nur, der auch ein Radio verborgen hält und es, im Unterschied zu Frankfurter, nicht vernichtet hat.
    Ich bin mir wohl bewußt, daß dieser eine Mensch sehr problematisch für die ganze Geschichte wäre, denn entweder er hat, wie Frankfurter, aus Angst nie gehört, oder er hat gehört und muß dann wissen, daß Jakobs tägliche Berichte nichts als Lügen waren, bis auf die Schlacht um Bezanika.
    Und hat die ganze Zeit dazu geschwiegen. Wie unwahrscheinlich jede dieser beiden Möglichkeiten auch sein mag, lassen wir

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