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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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doch eine beliebige von ihnen für drei weitere Sätze bloß gelten, denn jener Mann ist gewissermaßen nur ein Hirngespinst, eine flüchtige Spielerei. Das Radio wird während der Durchsuchung bei ihm gefunden, er wird im Zorn erschlagen, schöne Spielerei kann man sagen, oder er wird nicht erschlagen, das tut nichts zur Sache. Das Radio bringt man zu Jakob, dem rechtmäßigen Besitzer, die Vorstellung seines Gesichts ist den ganzen Einfall wert. Dann gehen die Dinge wieder ihren geregelten Gang, Jakob hört und berichtet, noch tagelang spricht man von dem empörenden Zwischenfall, wie ein einziger Mensch nur so niederträchtig handeln kann, für nichts und wieder nichts.
    Aber genug damit, Jakob kommt nicht auf die Idee mit dem Diebstahl, weder im wirklichen Ende, was mich wundert, noch in meinem. Bei mir plagt er sich vergeblich, er wird und wird das Radio nicht los, da beschließt er, die Juden loszuwerden. Er empfängt keine Besucher mehr, macht die Tür einfach nicht auf, auf dem Bahnhof sondert er sich ab, sein Mittag löffelt er in der Nähe des deutschen Steinhauses, also dort, wo man ihn nichts fragen kann. Und sofort nach Arbeitsschluß ist er wie ein Gespenst verschwunden, er nimmt Umwege in Kauf, um den auf ihn Lauernden zu entgehen. Hin und wieder stellt man ihn doch, trotz aller Vorsieht, dann wird gefragt, was mit ihm plötzlich los ist, warum er nichts mehr erzählt.
    »Es gibt nichts Neues«, sagt er dann. »Wenn es etwas Neues gibt, werde ich es euch schon sagen.«
    Oder noch wirksamer, er sagt: »Es ist mir zu gefährlich geworden, so kurz vor Schluß will ich nichts mehr riskieren.  Tut mir die einzige Liebe und fragt mich nicht mehr.«
    Er macht sich damit nicht gerade beliebt, nur wenige haben Verständnis für seine Lage, der große Mann von gestern sinkt rapide im Ansehen. Feigling wird er geheißen und Scheißkerl, auch deshalb, weil er sich störrisch weigert, das Radio einem anderen zu überlassen, einem, dem das Herz nicht in den Hosen sitzt. Aus Augen wird er bald angesehen, vor denen man sich fürchten kann, geflüstert wird hinter seinem Rücken, was man besser nicht hört, aber Jakob macht seinen Entschluß nicht rückgängig. Sollen sie ihn für den bösen Mann halten, er würde an ihrer Stelle genauso denken, sollen sie ihn bei jeder Gelegenheit wissen lassen, wie Verachtung schmeckt, alles ist besser, als ihnen die Wahrheit zu sagen.
    Ganz von Wohlgesonnenen ist er aber nicht verlassen, ich denke mir, daß Kowalski und Mischa ihm bleiben. Mischa trägt weiterhin mit ihm Kisten, Kowalski sagt manchmal, wenn auch seltener als früher: »Na, was ist, Alter? Wenigstens mir kannst du doch einen kleinen Wink geben? Es braucht ja keiner was zu merken.«
    Jakob lehnt jedesmal ab, läßt es darauf ankommen, den ältesten Freund zu verlieren. Er verliert ihn nicht, Kowalski erweist sich als hartnäckiger Freund.
    Eines Tages sagt Mischa: »Jakob, es ist mir unangenehm, aber sie reden davon, dir das Radio wegzunehmen.«

    »Wegzunehmen?«
    »Ja«, sagt Mischa ernst. »Mit Gewalt.«
    Jakob sieht zu den anderen hinüber, der und jener ist also zur Nötigung bereit, Jakob will nicht wissen, wer es ist.
    »Kannst du sie nicht davon abhalten?« fragt er.
    »Wie denn?« fragt Mischa. »Ich würde es gerne tun. Aber kannst du mir sagen, wie?«
    »Sage ihnen, ich habe es so gut versteckt, daß sie es unmöglich finden«, sagt Jakob.
    »Das werde ich tun«, sagt Mischa.
    Zu Hause verbietet Jakob Lina strengstens, sich während seiner Abwesenheit in seinem Zimmer aufzuhalten, aus Vorsicht läßt er den Schlüssel nicht mehr im Mauerloch hinter dem Türrahmen liegen, für Lina nicht und für keinen. Sie soll nach Möglichkeit auf ihrem Boden bleiben und sich nicht rühren, er gibt ihr gegen die Langeweile das Buch von Afrika mit nach oben, darin kann sie lesen lernen, davon hat sie mehr als von Herumlungern und Nichtstun.
    Die nächsten Tage werden zu einer anstrengenden Prüfung für Jakobs angegriffene Nerven, die Hände im Schoß muß er stillhalten und warten, auf Befreier und Einbrecher, ungewiß bei beiden, ob sie kommen oder ausbleiben. Mischa sagt, er hat keine Ahnung, ob die Gegenpartei ihren Sinn geändert hätte, denn seit seine Sympathie für Jakob bemerkt wurde, trotz allem was geschehen ist, seit er seine Dienste als Vermittler zur Verfügung gestellt hat, ist er von den Beratungen ausgeschlossen. Mehr noch, ein Bröckchen der allgemeinen Verachtung fällt auch auf ihn, das gleiche gilt

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