Jakob der Luegner
sagt Schwoch.
Dieser verheißungsvolle Satz, für Jakob zur Erklärung gesprochen, trifft Kowalski, als er gerade seine Schüssel auskratzt. Die Hand bleibt ihm stehen, er schließt für einen kurzen Moment die Augen, seine Lippen flüstern verbittert, daß Schwoch der Schlag treffen möge, und er rückt zur Seite. Nicht weit, nur ein paar symbolische Zentimeter Abstand. Er hat nichts gehört, sollen diese Verrückten reden, was sie wollen, ihn geht das Ganze nichts an.
Jakob hat die kleine Offenbarung beobachtet, schade, daß man nicht lächeln darf, Wichtiges ist zu tun, bevor die Pause zu Ende geht und der Plan von Mischa und Schwoch Verbreitung findet und als nicht von der Hand zu weisen eingeschätzt wird.
Daß sie bei Kowalski auf Granit beißen werden, ist Jakob klar wie nur sonst etwas, aus dieser Richtung droht keine Gefahr, wer so viele Jahre in Hörweite von Kowalski gelebt hat, der weiß, wie ein Held nicht aussieht.
Dir den Bart nach der neuesten Mode stutzen und die Haare kunstvoll anordnen, daß sich die Leute auf der Straße nach einem umdrehen, das kann er vielleicht, aber bei Todesstrafe verbotene Sendungen abhören und ihren Inhalt verbreiten, da müßt ihr euch einen Dümmeren suchen. Das Problem liegt auf keinen Fall bei Kowalski, die Sorge ist vielmehr, daß sich ein anderer findet, Kowalskis Straße ist lang. Ein anderer kann kommen und sagen, gib her den Kasten, wir lassen ihn spielen und singen und den Himmel auf Erden verkünden.
Man muß ihnen den Plan von tiefstem Grund ausreden, wenn aus der Sache nichts wird, und es wird nichts aus ihr werden, dann muß es an dem Plan gelegen haben, nicht an Kowalski. Er kann nur als ehrenwerter Mann aus der Affäre hervorgehen, es müssen Worte gefunden werden, die schon die Idee selbst verunglimpfen und ihre völlige Unbrauchbarkeit beweisen. Also her mit solchem Beweis, woher ihn aber nehmen in der Eile, womöglich fällt Kowalski das Richtige ein. Denn endlich einmal ist er Jakobs Verbündeter, endlich sitzt man im gleichen unbequemen Boot, auch Kowalski wird mit allen Kräften an Mischas und Schwochs Einfall nagen, er wird alles sagen, bloß nicht, daß er zu große Angst hat. Man muß ihn bis zum Hals ins Wasser stoßen, dann wird er schon reden, es bleibt nur zu hoffen, daß ihm in der kurzen Zeit die passende Engelszunge wächst.
»Hast du gehört, was sie von dir wollen?« sagt Jakob.
Kowalski wendet den Kopf zu ihm, er tut, als wäre er mit seinen Gedanken sonstwo gewesen, fragt mit vollendeter Unschuld: »Von mir?« Und dann fragt er Schwoch: »Was denn?«
»Es handelt sich um den Strom«, erklärt Schwoch geduldig.
»Man könnte doch das Radio zu dir schaffen?«
Kowalski spielt, er hört einen schlechten Witz. »Zu mir?«
»Ja.«
»Das Radio?«
»Ja.«
»Hervorragend!«
Die Idioten wollen mich umbringen, wird er denken, sie wollen mich ruinieren, als ob ich nicht genug andere Zoress am Hals hätte, und sie reden von meinem Untergang, als ob er die natürlichste Sache von der Welt wäre.
»Und du, Jakob? Was sagst du dazu?«
»Warum nicht?« sagt Jakob. »Es liegt nur an dir. Ich bin einverstanden.«
Es sieht nur so aus, als spielte er mit dem Feuer, er weiß genau, was er an Kowalski hat, außerdem kann man sich, wenn Kowalski im Handumdrehen zum Helden reifen sollte, die Sache später immer noch anders überlegen. Aber das wird nach menschlichem Ermessen nicht nötig sein, Kowalski ist eine Rechenaufgabe für die erste Klasse.
»Weißt du auch, was du dabei riskierst?« fragt Kowalski, maßlos verwundert über soviel Unvorsichtigkeit. »Was heißt das überhaupt, man könnte das Radio zu mir bringen? Wer ist das, man? Ich? Du? Er? Wer ist man? Wollt ihr das Radio am hellichten Tag durchs Ghetto tragen? Oder noch besser, nachts, nach acht vielleicht?«
Er lehnt sich entrüstet zurück, fast schon komisch, was sie einem da antragen, und das wollen kluge Menschen sein.
»Eine Prozession wollen sie machen! Die Streifen und die Posten werden sich solange schlafen legen, und wenn es soweit ist, gehen wir hin und wecken sie auf und sagen, ihr könnt weitermachen, das Radio ist sicher bei Kowalski!«
Schwoch und Mischa sehen sich sorgenvoll an, auseinandergepflückt nimmt sich ihr Plan nicht mehr gar so glänzend aus, auch Jakob steuert ein paar vielsagende Blicke bei, ernst und voller Zweifel. Kowalskis eindringliche Worte scheinen selbst ihn nachdenklich gemacht zu haben.
»Außerdem gibt es noch einen wichtigen Punkt«,
Weitere Kostenlose Bücher