Jakob der Luegner
verachtet.
Am nächsten Tag, also heute, hat er sie gleich von der Fabrik abgeholt, denn bei ihr zu Hause wäre die Versöhnung viel schwerer gefallen, in Anwesenheit ihrer Eltern. Sie war schon so schwer genug, nicht weil es an gutem Willen gefehlt hätte, aber man war so ungeübt im Beenden von Streitigkeiten. Am Ende haben sie beide zugegeben, sie hätten sich nicht ganz richtig benommen, ein Kuß in einer Haustür, und man konnte wieder freier atmen. Sie sind bei ihr zu Hause vorbeigegangen, um Bescheid zu geben, wo sie die kommende Nacht verbringt.
Frankfurter hat nicht begeistert ausgesehen, er konnte nicht wissen, daß die letzte Nacht praktisch ins Wasser gefallen war, Mischa hat gehört, wie Frau Frankfurter ihrem Mann leise gesagt hat: »Laß sie doch.«
Dann also in sein Zimmer, sie sind beide nach besten Kräften freundlich zueinander gewesen, haben sich nach dem Zank ihre guten Seiten vorgeführt, aber man konnte spüren, daß noch etwas Zeit vergehen mußte, bis alles war wie vorher.
Mischa hat ihr die Schlacht an der Rudna erzählt, oder besser, weil wir wieder auf dem laufenden sind, Mischa erzählt ihr leise die Schlacht an der Rudna, wird endlich fertig, heute von Jakob gehört, sozusagen das Neueste aus dem Äther. Rosa zerschmilzt vor Freude, man weiß, wo die Rudna fließt und welchen Fortschritt seit Bezanika die Schlacht bedeutet, sie hätte nicht übel Lust, mit neuem Plänemachen zu beginnen. Doch Mischa steht der Sinn nicht nach Plänen, nicht im Augenblick, die laufen ihm nicht weg wie dieser zweite Abend hintereinander, er löscht das Licht.
Um sich Rosa zu widmen, nicht mehr von Siegen soll die Rede sein, die letzte Nacht ist praktisch ins Wasser gefallen.
Die Rudna und Fajngold und im Zorn gesagte Worte sind vergessen, man kommt sich auf vertrauten Wegen näher, soweit der eigene Wille zu befehlen hat. Aber der herrscht nicht unumschränkt, man erwischt sich bei Vergleichen, so ist es jetzt, eigentlich kein Unterschied zu früher, man liegt ein Stückchen neben sich und sieht sich zu. Und man hört vielleicht sogar, daß aus der anderen Zimmerhälfte keine fremden Atemzüge stören.
Sagen wir es offen, das Nachholen einer ausgefallenen Nacht gerät recht kläglich, auch wenn sie es nie zugeben würden, auch wenn sie zufrieden tun wie Jungverliebte.
Mit leisem Bedauern wollen wir sie verlassen, und in der Hoffnung, es kommen wieder unbeschwertere Zeiten, die Hoffnung ist uns unbenommen. Hören wir noch, wie Mischa auf der Woge des Vertragens lächelnd fragt, was er lieber nicht gefragt hätte: »Möchtest du immer noch, daß ich das Zimmer wieder mit Schrank und Vorhang teile?«
Das sagt er, und vor allem lächelnd, weil für ihn kein Zweifel ist, daß Rosa nun die Dinge anders sieht, daß sie von dummen Launen antworten wird, sie wüßte selbst nicht, was in sie gefahren wäre gestern, und daß der leidige Zwischenfall sich bestens zum Vergessen eignet.
Und vernehmen wir noch, wie Rosa sagt: »Ja, bitte.«
Jakob muß mit eigenen Ohren hören, wie entstellt seine Informationen weitergegeben werden.
Jakob will zu Lina auf den Boden, noch keine Schlafenszeit, aber man muß mit ihr ja mehr tun als nur aufpassen, daß sie sich ordentlich wäscht, die Zähne putzt und rechtzeitig ins Bett geht. Auf dem Bahnhof haben sie uns zwei Stunden früher laufenlassen, es war einfach nichts mehr zum Verladen da, die Posten hatten keine Lust, auf Herumlungernde aufzupassen, sie haben uns aufgefordert zu verschwinden.
Ein paar besonders kühne Spekulanten vermuten, daß hinter dieser Aufforderung weit mehr steckt als Faulheit, vielleicht wollen sich die Herren Posten anbiedern, tüfteln sie, sie hätten uns auch zwei Stunden warten lassen können. In Reihe angetreten, aber sie haben uns nach Hause geschickt, vielleicht klopfen so unscheinbar neue Zeiten an die Tür.
Jedenfalls sind die zwei Stunden bei Lina gut verbracht, findet Jakob vorerst, als er die Hand auf die Klinke legt, hört er, daß sie nicht alleine ist. Er hört Rafaels Stimme, die erkundigt sich:
»Worum geht’s denn dabei überhaupt?«
»Um eine Prinzessin«, sagt Lina.
»Wird sie entführt?«
»Wie kommst du darauf?«
»Natürlich wird sie entführt. Ich kenn das doch. Sie wird von einem Räuber entführt. Er will ’ne Menge Lösegeld für sie haben, aber der Prinz tötet ihn und befreit sie. Und hinterher heiraten sie.«
»Was du für einen Quatsch redest«, sagt Lina ärgerlich.
»Das ist eine ganz andere
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