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Jakob der Luegner

Jakob der Luegner

Titel: Jakob der Luegner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jurek Becker
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sie denken, obgleich das kein unlösbares Rätsel darstellt, ich kenne ihre Dienstgrade, wenn nötig sogar ihre knappgefaßten Lebensläufe, also auch ihre Namen. Leider werde ich mich später plump und direkt in die Handlung einmischen müssen, wenn es ans Erklären geht, denn nach Möglichkeit soll kein Loch bleiben. Die Erklärung wird es notdürftig stopfen, aber später, erst muß das Loch in seiner vollen Größe sichtbar sein.
    Der Wagen hält vor Siegfried und Rafael, die wie zu allen Zeiten auf der Straße lungern, auf dem Bordstein, und als einzige Helden weit und breit sich nicht verstecken. Alle anderen Juden, weder blind noch lahm, stehen hinter ihren Fenstern oder in schützenden Hausfluren, zittern um zwei närrisch gewordene Kinder und vor dem noch ungewissen Schaden, den das deutsche Auto hier nur anrichten kann.
    Aber mancher Eingeweihte wird denken, so ungewiß ist der Schaden nicht, das Auto hält schließlich nicht vor irgendeinem Haus, es hält vor dem Haus von Jakob Heym.
    Preuß und Meyer steigen aus mit Sonderauftrag, Preuß ein recht großer Mensch, braunhaarig, schlank, gutaussehend, höchstens etwas weichlich, Meyer, wie er mir beschrieben wurde, einen Kopf kleiner, bullig, auf den ersten Blick wild entschlossen. Vermutlich eine mit Sorgfalt zusammengestellte Kombination, was dem einen fehlt, das hat der andere, und umgekehrt, also glückliche Ergänzung. Sie gehen in das Haus.
    »Weißt du, welche Wohnung?« fragt Preuß.
    »Eine Treppe«, sagt Meyer. »Die Namen sollen an den Türen stehen.«
    Eine Treppe, Jakob wohnt zwei, trotzdem eine, bis vor die Tür von Kirschbaum. An die wird manierlich geklopft, vor der wird geduldig gewartet, bis eine Frauenstimme, der anzuhören ist, daß Besuch sehr ungelegen kommt, fragt: »Wer ist da?«
    »Machen Sie bitte auf«, sagt Preuß.
    Obwohl kein sehr plausibler Grund zum öffnen, wird ein Schlüssel fahrig ins Schloß, gesteckt, umgedreht, die Tür geht auf, zuerst nur einen Spalt, dann vorbehaltlos, ganz unnütz stellt Meyer seinen Fuß zwischen Tür und Schwelle.
    Da steht Elisa Kirschbaum, alt und streng, mit wohlverborgener Furcht. Ihre oft geflickte Schürze kann einen nicht täuschen, uns mustert nicht irgendwer, schon wie sie den Kopf hält, uns mustert eine Herrin, Preuß und Meyer. Die Furcht ist wohlverborgen, die Verachtung nicht, ein gleichgültiger Blick in die Gesichter zweier lästiger Besucher, dann ein Blick auf Meyers Fuß, der sich so schrecklich überflüssig vor der Schwelle großtut, Meyer kämpft mit sich.
    »Sie wünschen?«
    »Guten Tag«, sagt Preuß höflich, vielleicht muß er einfach so bei diesen Blicken. »Wir möchten zu Professor Kirschbaum.«
    »Er ist nicht zu Hause.«
    »Dann warten wir«, sagt Preuß, bestimmt. Er geht an ihr vorbei durch die Tür, endlich kann auch Meyer den standhaften Fuß aus seiner Lage erlösen, er folgt ihm. Sie sehen sich im Zimmer um, was die alle reden, geht ihnen doch gar nicht so schlecht hier, Büffet mit Nippes, Sofa und zwei Sessel, bißchen abgeschabt zwar, aber immerhin, prall gefüllter Bücherschrank wie im Film, an der Decke dreiarmige Lampe, fast ein Kronleuchter, die leben ja hier wie Gott in Frankreich. Vielleicht auch nur dieser Kirschbaum, soll immerhin früher was dargestellt haben, Sonderration oder so, Köpfchen haben sie ja, die Itzigs, schlauchen sich immer durch und fühlen sich überall sofort wie zu Hause.

    Meyer läßt sich auf das Sofa fallen, Preuß noch nicht, weil Elisa Kirschbaum an der Tür stehenbleibt und nicht aufhört auszusehen, als warte sie auf eine Erklärung.
    »Sind Sie Professor Kirschbaums Frau?« fragt Preuß.
    »Ich bin seine Schwester.«
    »Sie gestatten doch.«
    Preuß setzt sich auch, in einen Sessel, schlägt die Beine übereinander, viel Zeit, Elisa Kirschbaum steht. Es hilft nichts, sie muß fragen: »Worum handelt es sich bitte.«
    »Das geht dich einen Dreck an«, sagt Meyer. Länger kann er nicht schweigen, was hier geschieht, kommt ihm schon sowieso gespenstisch vor, Affentheater, das reine Affentheater, aber nicht mit ihm. Auf eine unverschämte Frage will er mehr als Antwort geben, die Welt ein wenig wieder geraderücken will er, wo kommen wir sonst hin.
    Nun ja, Elisa Kirschbaum kann nicht eben das Mädchen rufen, daß es dem Flegel dort den Hut holt, ihr Waffenarsenal ist denkbar leer, zumindest aber kann sie Meyer mit Mißachtung strafen, sich an Preuß wenden und kühl fordern:
    »Würden Sie diesem Herrn bitte sagen, daß er

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