Jakob der Reiche (German Edition)
sprang auf und lief wütend hin und her. Dann blieb er schnaubend vor Jakob stehen. »Ich will kein Arsenal von Waffen, die von irgendwelchen Bauernaufständen, dem Bundschuh oder dem armen Konrad in den Gräben an den Straßen zurückgeblieben sind. Ich will auch keine morschen Leiterwagen für die Waffen, sondern Kästen auf guten Speichenrädern, wie sie in Italien üblich sind. Ich hasse nichts so sehr wie Rost an Hellebarden und Schwertern, in der Feuchtigkeit krumm gewordene Lanzen und Grünspan an der Bronze der Kanonen.«
Er trat noch dichter an Jakob heran. »Was ich fordere, ist ein kaiserliches Heer mit allem, was dazugehört – mit Pferden, Rüstungen, edel geschmiedetem und aus feinstem Leder gearbeitetem Zaumzeug, mit neuen Sätteln, neuen Schwertern, meisterlich ausgewogenen Bogen und Tausenden von geraden Pfeilen.«
»Dann muss ich Euch an dieser Stelle enttäuschen«, gab Jakob Fugger abweisend zurück. »Was Ihr verlangt, Majestät, sind Ausrüstungen und Waffen, wie sie nicht einmal himmlischen Heerscharen zu eigen sind. Ich gebe zu, dass man für Euch vielleicht tausend oder zweitausend gut gerüstete Berittene als eindruckvolle, stolze Begleitung aufstellen könnte. Aber ein Heer, das im Fall der Fälle auch noch gegen die Franzosen in der Poebene und gegen das waffenstarrende Venedig kämpfen könnte, findet Ihr nirgendwo zwischen Wien und Amsterdam.«
»Dann kauf es mir!«, stieß Maximilian hervor. »Ich muss nach Rom, versteht ihr Pfeffersäcke das denn nicht? Ohne den Segen und die Salbung bricht mir alles auseinander. Ich brauche dich, Jacopo! Beschaff mir ein Heer! Nimm dir dafür, was du willst. Und wenn es sein muss, will ich dich dafür auch adeln!«
»Zum Fugger! Ich muss sofort zum Fugger!«, schallte eine heisere Stimme aus dem Innenhof des Hauses am Rindermarkt. Jakob saß in der oberen Etage und schrieb ohne Hast die letzten Buchstaben seines Namens unter einen Kaufvertrag über Zaumzeug für tausend Reitpferde. Vollkommen ruhig legte er den Gänsekiel in eine Schale, streute etwas Adriasand über die frische Tinte, ließ ihn einwirken und blies ihn ganz leise weg.
Er stand auf, ging zu den Fenstern und öffnete sie. Diese Stimmen, die sich laut und fordernd ankündigten, als wollten sie vom Untergang der Welt berichten, kannte er. Und dann sah er ihn. Es war einer der Tassis-Boten, der ihm schon mehrfach wichtige Zeitungen überbracht hatte.
»Was?«, rief Jakob hart in den Hof hinab. Für einen Moment blieb alles still. Der Bote blickte mißtrauisch an sämtlichen Mauern hoch und runter. Dann sah er erneut zu Jakob Fugger auf.
»Nur ohne Zeugen und von meinen Lippen an Eure Ohren!«
Jakob winkte den Mann nach oben. Dann ging er zum Tisch zurück, rollte den Kaufvertrag zusammen und legte ihn in das Fach mit der Aufschrift »Venedig«. Zwei Dutzend weitere Fächer enthielten ähnliche Rollen, und nur wenige mit Beschriftungen wie »Lissabon«, »Genua« und »Danzig« waren an diesem Oktobertag des Jahres 1506 noch leer.
Jakob verließ seine Schreibstube, zu der kein Bote Zutritt hatte. kam.
»Was gibt es?«, fragte er im zweiten Vorraum.
»Eine Katastrophe für Habsburg, Österreich und die deutschen Lande – ja, für den ganzen Kontinent!«
»Spannt mich nicht auf die Folter, Kerl!«
»König Maximilians Sohn Philipp der Schöne ist tot«, berichtete der Bote. »Er fiel überraschend in ein schweres Fieber und verstarb.«
»Philipp der Schöne – tot?«
»Ich schwöre es bei Gott und allen Heiligen. Aber die Katastrophe geht noch weiter: Johanna, die Ehefrau des Erzherzogs, ist über seinen Tod wahnsinnig geworden!«
Diesmal vergaß Jakob Fugger jede Sparsamkeit. Er ging in seine Schreibstube zurück, nahm aus der Truhe einen Kasten, öffnete ihn und überreichte dem Tassis-Reiter zwei silberne Guldiner.
»Ihr bekommt noch einmal zwei, wenn Ihr so lange schweigt, bis sich die Nachricht auch auf anderen Wegen hier eingefunden hat.«
Der Tassis-Reiter kannte Jakob Fugger und neigte nur den Kopf. Er wusste, dass er sich auf das Wort dieses Mannes voll und ganz verlassen konnte. Jakob wartete, bis der Bote wieder gegangen war. Dann holte er die Kopie einer ellenlangen Landkarte hervor, die ihm Conrad Peutinger kürzlich erst geschenkt hatte. »Meine Peutingeriana!«, hatte er dazu gesagt. »Als Dank für deine Unterstützung Martin Behaims.«
Vorsichtig rollte er sie nach beiden Seiten aus. Anders als beim großen Globus von Martin Behaim waren auf der
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