Jakob der Reiche (German Edition)
Jetzt blickte er zu ihm hoch und ließ dabei die Kapuze vom Barett gleiten, das er auf dem Kopf trug. Eine weiße Reiherfeder legte sich über seine Schulter.
Jakob brauchte nur einen Atemzug, um sich von der ersten Überraschung zu erholen. »Der Marschall von Tirol und königliche Rat Paul von Lichtenstein höchstselbst!«
Er streckte die Hände aus und begrüßte den ungewohnten nächtlichen Besucher.
»Es ging nicht anders«, seufzte Lichtenstein. »Selbst unser Freund Peutinger wusste keinen besseren Rat, als mich zu diesem elend langen Ritt von Konstanz bis hierher zu drängen.«
»Dann wollen wir zunächst für Wein und Braten sorgen«, meinte Jakob augenblicklich und wollte bereits nach seinen Dienern klingeln.
»Nein, heute Nacht vertrüge mein Gedärm kein Fleisch. Doch wenn Ihr irgendwo noch Tokaier von Euren ungarischen und polnischen Geschäftspartnern versteckt habt, sähe ich mich an dem Ziel, von dem ich auf den letzten Meilen geträumt habe.«
Nachdem er den dargebotenen Becher mit einem Zug geleert hatte, nahm Paul von Lichtenstein das Barett ab und kam sofort zur Sache.
»Maximilian glaubt noch immer, dass er in Konstanz das Geld für dreißigtausend Landsknechte und Berittene für seinen Zug nach Rom zusammenbekommt. Er will einfach nicht einsehen, dass weder unsere Fürsten noch die Reichsstände bereit sind, ihm für dieses zweifelhafte Abenteuer hundertzwanzigtausend Gulden vorzuschießen.«
»Hundertzwanzigtausend Gulden!«, wiederholte Jakob respektvoll. »Das ist weit mehr, als ich ihm geben könnte.«
»Ich kann es auch nicht«, sagte Paul von Lichtenstein resignierend. »Dabei hat er mir bereits gedroht, dass ich das Marschallsamt verliere, wenn ich mich nicht dankbarer erweise. Aber ich habe vor zehn Jahren die Burg Scheuna bei Meran von ihm gekauft und mein gesamtes freies Geld in den Ausbau der alten Bergfestung gesteckt.«
»Ich erinnere mich«, sagte Jakob verständnisvoll. »Wenn man zusammenrechnet, was Habsburg allein im letzten Jahrzehnt an Pfändern und für Darlehen, an misslungenen Kriegen und für andere Abenteuer ausgegeben hat, käme fast ein Königreich zusammen.«
»Ihr habt gut reden!«, protestierte Paul von Lichtenstein. »Eure Bergwerkspfänder und Metallhütten werfen immerhin noch etwas ab, wenn Ihr in sie investiert.«
»Ist denn Eurer Burg kein Dorf oder auch Land zugehörig?«
»Doch, doch«, antwortete Lichtenstein und seufzte erneut. »Aber Ihr ahnt nicht, wie schwierig es geworden ist, über aufsässige Bauern, Knechte und kleine Landadelige zu herrschen. Viele von ihnen sind durch die Kriege in den letzten Jahren herumgekommen, haben andere Länder gesehen und dabei Dinge aufgeschnappt, die ihnen den Verstand vergiften. Das ist in den Tiroler Bergen auch nicht viel anders als hier bei euch in Schwaben oder Bayern. Wer einmal in fremden Jagdgefilden wildern durfte und dafür auch noch Sold empfing, der kehrt nie wieder heim ins Gehege der alten Tradition und Ordnung.«
»Ich soll Euch also geben, was der Reichstag und jegliche Vernunft verweigern«, sagte Jakob schließlich. »Ihr als der Hofmarschall reitet in finsterer Nacht durch ein Nebentor in der Stadtmauer von Augsburg, um bei einem Pfeffersack ein paar Gulden zu erbetteln, damit der arme letzte Ritter prunkvoll in Rom einziehen und sich vom Papst zum Kaiser krönen lassen kann.« Er lachte leise und schüttelte den Kopf. »Wenn Ihr, Herr Hofmarschall, nicht realiter hier vor mir sitzen würdet, müsste ich aufspringen und schreien vor so viel unglaublicher Narretei.«
»Ihr springt nicht auf. Und ich sitze immer noch vor Euch«, antwortete Paul von Lichtenstein vollkommen ruhig.
»Dann meint Ihr tatsächlich, dass ich Euch Geld für diese Hirngespinste leihen würde? Mit welchen Sicherheiten? Und für welchen Zins?«
»Dem König stehen immer noch die Subsidiengelder aus England aus dem Krieg der Engländer gegen Frankreich zu.«
»Nichts da!«, konterte Jakob Fugger sofort. »Die Engländer denken überhaupt nicht daran, irgendetwas zu zahlen.«
»Woher wollt Ihr das wissen?«
»Ich weiß es eben«, sagte Jakob sanft. »Und meine Zeitungen sind meist schneller und zuverlässiger als die Nachrichten von allen anderen Boten. Das Einzige, was Ihr noch habt und was ich vielleicht als Pfand annehmen würde, sind Eure Silbergruben bei Rattenberg. Darüber könnten wir vielleicht noch reden.«
»Niemals!«, stieß Lichtenstein hervor. »Die letzte größere Silberquelle im Besitz des
Weitere Kostenlose Bücher