Jakob der Reiche (German Edition)
belesenen Conrad Peutinger. Aus schierer Freude am Wohlklang der Sprache unterhielten sich die beiden, sobald sie allein waren, auf Latein. Sie sprachen auch über die Begegnung, die Jakob fünf Jahre zuvor gehabt und bei der er mit Erzherzog Maximilian von Österreich Latein gesprochen hatte.
»Kann er es denn?«, fragte Conrad.
»Besser als mancher Chorherr«, bestätigte Jakob. »Dabei braucht er es als Herzog und Thronfolger wahrscheinlich gar nicht bei all den vielen gelehrten Herren in seinem Hofstaat.«
»Das wäre etwas«, seufzte der junge Peutinger. »Berater des römischen Königs und vielleicht sogar deutschen Kaisers Maximilian.«
»Ist das wirklich dein Traum?«
Conrad Peutinger seufzte. »Ein unbezahlbarer!«, sagte er.
»Na gut, dann kaufe ich dir eben deinen Kaiser!«
Jakob lachte so übermütig, dass auch der junge Peutinger einstimmen musste. Von da an fanden sie noch mehr Gefallen aneinander. Sie sprachen viel über den Vatikan, den bis Ravenna und zum Herzogtum Ferrara am Po gewachsenen Kirchenstaat, aber auch über die Missionierung Germaniens und die im Norden Deutschlands herumziehenden Irrlehrer, denen inzwischen überall hungernde Bauern, verarmte Ritter und sogar Grafen folgten.
Drei Wochen später war Jakobs Aufgabe in Rom erledigt, und er wollte nach Florenz zurück. Er schloss sich einem Zug von Kaufleuten an, die aus Antwerpen, Frankfurt und Innsbruck kamen. Einige wollten nur nach Florenz, andere zogen weiter bis nach Mailand oder Venedig.
Die Reise war nicht besonders anstrengend, weil keiner der Kaufleute größere Warenbestände mit sich führte. Sie kamen schnell voran und erhielten unterwegs, wie schon zur Zeit der alten Römer, gegen kleine Münze schlichte Übernachtungen in den Herbergen am Straßenrand. Zum Ausgleich leisteten sich die Männer ausgiebige Abendgelage und Vergnügungen mit Musik und Weibsvolk.
In Florenz betrachtete Jakob die goldene Lilie der Medici und verglich sie mit den beiden Lilien, mit denen die Satteldecke seines Pferdes geschmückt war. Überall flüsterte es in der sonst so lauten Stadt am Arno. Jakob spürte es. Er hatte bereits in Rom gehört, dass Papst Sixtus IV . an der Verschwörung der Pazzi gegen die Medici beteiligt gewesen sein sollte. Aber erst jetzt, als er überall in den Straßen Wachsporträts des erdolchten Giuliano de Medici sah, erfuhr er mehr. Es hieß, dass dieser im Dom von Florenz ermordet worden war, während sein Bruder Lorenzo gerade noch hatte entkommen können. Jacopo de Pazzi und mehrere seiner Mitverschwörer waren von wütenden Florentinern ergriffen und an den Fenstern des Palazzo Vecchio aufgehängt worden. Der Rest der Familie war inzwischen verhaftet oder verbannt worden.
Jakob wollte nicht mehr wissen. Obwohl der Name seines Bruders Markus nicht genannt wurde, glaubte er, ihn aus Andeutungen und Halbsätzen mehr als einmal herauszuhören. Ihm wurde bange in den Straßen von Florenz. Er fühlte sich bei jedem Schritt wie von hundert Blicken verfolgt. Schon in der ersten Nacht in einer Herberge am Domplatz schreckte er mehrmals auf und starrte bangend durch die halb zugezogenen Vorhänge an den Fenstern.
Am Morgen hatte er das Gefühl, dass es für ihn nicht sehr gesund war, wenn er sich länger als nötig in dieser Stadt aufhielt. Er kam sich mehr und mehr wie ein Spießgeselle der Verschwörer vor. Gewiss, die Fugger waren in gewisser Weise Konkurrenten und damit Gegner aller Medici, aber konnte ihn deshalb eine ganze Stadt wie einen Ketzer oder Aussätzigen ansehen?
Er fühlte sich plötzlich wie im Fieber. Waren die Schuldgefühle und seine Furcht begründet oder nur ein Hirngespinst? Oder empfand er Reue über seinen Abschied von Herrieden, der ihm seit den Wochen in Rom doch überstürzt und vielleicht sogar falsch vorkam. Er brauchte zwei Tage und zwei nahezu schlaflose Nächte, bis er die Kraft und den Glauben fand, über sein eigenes Leben zu entscheiden. Bei Sonnenaufgang des dritten Tages setzte er sich ans Fenster seiner Kammer und schrieb einen Brief an das Stift Sankt Veit in Herrieden, mit dem er endgültig auf seine Pfründe verzichtete. Damit war auch die letzte Verbindung zu seinem früheren Leben zerschnitten. Von jetzt an wollte er nur noch Kaufmann werden. Nicht irgendeiner, sondern der beste.
Lehrjahre am Rialto
Jakob freute sich, wieder in Venedig zu sein. Er erhielt dieselbe kleine Kammer in der zweiten Etage des Palazzos der Cornaro wie bei seinem ersten Besuch.
Obwohl er
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