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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition)
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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überzog Jakobs Gesicht und Scham, so groß, dass er sie sein Leben lang nicht vergaß.
    Am nächsten Tag wollte Jakob lange Zeit nicht aufwachen. Bis zum Mittag fühlte er sich krank. Erst dann schaffte er es, sich anzukleiden und in den Raum zu gehen, in dem Ulrich bereits schweigend arbeitete. Sie begrüßten sich nur kurz. Am Platz, der für Jakob vorgesehen war, standen eine gläserne Karaffe mit klarem Wasser, ein geschliffenes Glas und eine glasierte Tonschale mit einem bunten Deckel.
    »Nimm das Pulver dazu«, sagte Ulrich. »Es soll auch gegen das Fieber der Sümpfe helfen.«
    Stunde um Stunde verging, während die beiden Männer sorgsam ein Pergament nach dem anderen so auf den Tischen verteilten, dass sich allmählich eine auch ihnen verständliche Ordnung ergab. Für Jakob reichte jeweils ein kurzer Blick auf das Geschriebene. Anders als Ulrich hatte er jahrelang gelernt, wie Lateiner und Römer Schriftstücke und Dokumente verfassten. Er kannte die Regeln des alten römischen Rechts und wusste, wie in kirchlichen Skriptorien gearbeitet wurde.
    »Ich hatte keine Vorstellung, was Markus hier gemacht hat«, sagte Jakob. »Ich wusste auch nicht, in wie hohem Ansehen er hier stand.«
    »Mir geht es ähnlich«, sagte Ulrich und reckte sich. »Hier, sieh dir das an: Er hatte es neben all seinen anderen Ämtern bis zum Provisor des Anima-Hospitals gebracht. Das wäre bei uns in Augsburg für einen Bürgersohn nahezu unmöglich.«
    Am Abend im »Goldenen Kopf« erfuhren sie freilich, dass Papst Sixtus IV . schon ganz andere Beförderungen und Ämter verkauft hatte.
    »Dieser Papst verkauft doch alles in seiner Geldgier, Posten und Titel ebenso wie Ablassversprechen.«
    Mochte es die schwierige Arbeit in den vertrackten und mit vielen Kürzeln versehenen Papieren von Markus sein, der Frascati aus den Bergen südöstlich von Rom oder die drückende Sommerhitze, mit der kaum einer der Augsburger Kaufleute zurechtkam – auf jeden Fall sprach Ulrich so erregt, wie ihn Jakob noch nie zuvor erlebt hatte. Jetzt zerbrach er auch noch sein Weinglas. Jakob sah sich verstohlen in der großen Stube um.
    In einer anderen Ecke des Gastraumes saßen zwei Beauftragte der Gossembrots, ein kaum vierzehnjähriger Junge in Begleitung eines Mannes, den sie Herwarth nannten, und einem römischen Bankier zusammen. Einige von ihnen kannte Jakob inzwischen. Als er hinausging, um sich draußen vom vielen Wein zu erleichtern, folgte ihm der Junge vom Tisch der Bankiers.
    »Verzeiht mir, Herr«, sprach er Jakob von hinten an. »Seid Ihr wirklich der jüngste Fugger?«
    »Ihr sagt es«, antwortete Jakob mit einem erleichterten Seufzer. Er spülte die Hände in einer Terrakottaschale mit duftendem Kalkwasser und drehte sich um. Der Junge blickte ihn mit hellen Augen an. Obwohl er noch nicht das entsprechende Alter erreicht haben konnte, trug er einen der schwarzen Talare, mit denen überall in den Universitätsstädten die jungen Scholaren ihre Professoren nachahmten.
    »Und wer seid Ihr?«, fragte er dann.
    »Ich heiße Peutinger«, stellte sich der andere höflich vor. »Conrad Peutinger aus Augsburg. Ich bin mit meinem zukünftigen Stiefvater Herwarth dort drüben gekommen und soll mir Italien ansehen, ehe ich in Basel mit meinem Studium beginne.«
    »In einem Kloster oder einem Stift?«
    »Nein, nein, nicht wie Ihr damals, als Euer Vater starb«, sagte der junge Peutinger ohne Arg. »Ich will lieber den Weg wie Euer Bruder Markus gehen, der sich ja schon mit vierzehn Jahren in Leipzig eingeschrieben hat.«
    »Wann fangt Ihr an?«, fragte Jakob, vom Wein und der abendlichen Wärme ein wenig wirr im Kopf.
    »Im nächsten Herbst, im Oktober«, antwortete Conrad Peutinger sehnsüchtig.
    Jakob legte seinen Arm um die Schultern des Jungen und wankte langsam mit ihm in die Schankstube zurück.
    In den folgenden Tagen sorgten Ulrich und Jakob Fugger dafür, dass der Nachlass des toten Bruders aufgeteilt wurde. Was eindeutig der Kirche gehörte, musste im Vatikan bleiben. Eine weitere Partie sollte Jakob mit einem der wenigen vertrauenswürdigen römischen Bankiers für weitere Geschäfte auswerten. Alles andere verpackten sie in Rollen und Körbe mit Wachstuch.
    Schließlich hielt es Ulrich nicht länger am Tiber. Er wollte zurück nach Augsburg, denn dort wartete Veronika Lauginger auf ihn, die er liebte und alsbald zu heiraten gedachte. Jakob wohnte weiter im »Goldenen Kopf«. In dieser Zeit vertiefte er die Freundschaft mit dem bereits sehr
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