Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
Vom Netzwerk:
Gesichtsausdruck auch nur um eine Spur zu verändern, las Jakob, was der junge, aber bereits etwas zwielichtige Magister des kirchlichen und weltlichen Rechts über andere schwäbische und bayerische Handelshäuser, über die Ausbeute verschiedener kleiner Bergwerke in Tirol, über den Handel in Venedig, die Preise auf oberitalienischen Märkten und über die Transportkosten auf Schiffen in den Orient und zur Levante berichtete. Er schrieb auch, in welchen Handelshäusern Verbindungen durch Hochzeiten oder durch heimliche Beteiligungen stattgefunden hatten. Es war der längste Brief, der jemals im Haus am Rohr eingetroffen war.
    »Ziemlich geschwätzig, dein Magister Zink«, tadelte Ulrich, als Jakob das Schreiben wieder zusammenfaltete und auf sein Schreibpult legte.
    »Das sehe ich eigentlich nicht so«, antwortete der Jüngere. »Ich meine vielmehr, dass ihm eine hübsche Summe als besondere Auszeichnung und Dank für diesen Brief angewiesen werden sollte.«
    »Warum das?«, fragte Ulrich verwundert.
    »Weil das Geschwätz, wie du sagst, eine Fülle von geheimen Mitteilungen zwischen den Zeilen enthält. Nimm nur diesen kurzen Satz zu Judenburg. Entschlüsselt bedeutet er für mich, dass ich sofort dorthin reisen sollte.«
    »Du willst schon wieder reisen? Und deine Arbeit hier?«
    »Keine Sorge, Rigo. Ich werde meinen Schreibtisch aufgeräumt hinterlassen. Aber es brennt überall in den Bergwerken Tirols. Es ist ein Feuer, das wir mit unseren Gulden löschen können. Und dann sind wir diejenigen, die die Handelskammer der Judenburger im Fondaco dei Tedeschi übernehmen könnten.«
    »Nein«, sagte Ulrich und schüttelte entschieden den Kopf. »Das schlag dir aus dem Kopf. Kein Augsburger ist stark genug, um es mit den Judenburgern aufzunehmen. Die halten seit Jahrhunderten in ihrem Glauben und beim Handel wie Pech und Schwefel zusammen. Außerdem haben sie den gesamten Fuhrverkehr für die Metalle nach Süden in der Hand.«
    »Dann muss man eben dafür sorgen, dass sie nichts mehr zu fahren haben«, sagte Jakob.
    »Und wie soll das gelingen?«
    »So wie beim Monopol für …«
    Jakob brach ab. Warum sollte er Ulrich verraten, was ihm bereits seit einer ganzen Weile durch den Kopf ging. Andrea Cornaro war durch das Zuckermonopol zu einem der reichsten Handelsherren der Serenissima geworden. Er hatte sogar seine Tochter Caterina zur Königin jener Insel gemacht, von der Europa den sündhaft teuren Rohrzucker bezog. Jakob holte tief Luft, als er an das Gemälde von Caterina Cornaro dachte. Er hatte keine Tochter, und Judenburg war keine Insel. Doch das Geheimnis konnte hier wie da in der Herrschaft über die Transportwege und einem guten Handelssaal in Venedig liegen …
    »Man muss schnell genug erfahren, was an verschiedenen Orten vorgeht«, sagte er mehr zu sich selbst als zu Ulrich. »Und man muss beten und dabei warten können, bis die Zeit für ein Amen herangekommen ist.«
    Ulrich und viele andere in Augsburg entsetzten sich noch lange über die Vorgänge in London und den Niederlanden. In Frankreich war Karl  VIII . zum König gekrönt worden. Aber auch in unmittelbarer Nähe gab es manches, das den reichen Handelsherren missfiel. So hatte sich bei den Zünften in Augsburg die prahlerische Mode eingebürgert, Bier aus gravierten Zunftkannen zu trinken und bei den Zusammenkünften Tafelgeschirr aus Zinn zu benutzen.
    »Auch diese Narreteien vergehen wieder«, meinte Ulrich, und Jakob hob nur die Schultern. Viel schlimmer war die Unsicherheit, die aus Österreich gemeldet wurde. Nun stritten sich gar der Kaiser in Wien und Matthias Corvinus darüber, wer der wirkliche König von Ungarn war.
    »Sie führen beide die gleichen Titel«, meinte Ulrich nachdenklich, als er davon hörte. »Und bei aller Unvernunft dieser Fürsten werden sie sich bewaffnen, um dann zu beweisen, wer recht hat.«
    »Nicht, wer recht hat, Ulrich«, sagte Jakob von seinem Schreibpult her. »Wer die meisten Kriegsknechte kaufen kann und das meiste Kupfer für seine Kanonen.«
    »Ich weiß, ich weiß«, winkte Ulrich ab und ließ sich schwer in den Lehnstuhl hinter seinem Schreibtisch fallen. Sie arbeiteten noch immer gemeinsam in einem Raum. Manchmal vergingen viele Stunden, in denen nur das Rascheln ihrer Papiere und das Kratzen ihrer Schreibfedern zu hören waren. In den letzten Monaten hatte Ulrich sich angewöhnt, hin und wieder, wenn er zu lange gesessen hatte, wie ein Hund in der Kaminecke zu schniefen.
    »Wenn du nach Judenburg

Weitere Kostenlose Bücher