Jakob der Reiche (German Edition)
nach kaltem Schrecken aus. In den folgenden Tagen verließ er die Faktorei mehrmals zu kurzen Ausritten zu Kapellen und Kirchen in der Nähe. Nur zweimal in dieser Zeit besuchte er ein Gasthaus, und einmal machte er dem Erzherzog in dessen Schloss seine Aufwartung. Sigismund empfing ihn in einem überhitzten Baderaum, in einem Holzzuber sitzend. Zwei seiner nackten Gespielinnen stiegen gerade noch kichernd in das dampfende Wasser und plantschten kichernd vor den Augen des an der Eingangstür verharrenden Fugger.
»Kommt her zu mir, Jakob Fugger, mein Freund und Retter!«, rief Erzherzog Sigismund und winkte ihn mit beiden Händen heran. Direkt vor ihm stand ein Weinkrug auf dem Brett, das quer über den Badezuber gelegt worden war. Rechts und links lagen getrocknetes Obst und bereits aufgeweichtes Backwerk in den Pfützen am Boden. Erzherzog Sigismund zog sich in seinem Zuber ein wenig höher und wischte sich die Nässe aus seinem roten, aufgedunsenen Gesicht. Er spuckte ein paar Obstreste, die in seinen gelb gewordenen Zähnen stecken geblieben waren, ins Badewasser.
»Was bringt Ihr mir diesmal, mein schwäbischer Ritter? Will irgendeiner von den falschen Habichten, die mich verfolgen, eine Grafschaft aus meinem geplagten Tirol herausbeißen?«
»Gibt es dafür einen Anlass, Hoheit?«, fragte Jakob sofort. Er hatte schon mehrfach von den Gerüchten gehört, dass der Bayer, dem er bei seiner Heirat geholfen hatte, Sigismund jetzt genau damit unter Druck setzen wollte.
»Es ist ein grober Undank von Herzog Albrecht und Kunigunde!«, jammerte er. »Habe ich nicht Gutes getan, als ich die falsche Heiratserlaubnis anerkannte?«
»Gewiss, das habt Ihr, mein Fürst«, gab Jakob zurück. Erst jetzt öffnete er seinen Pelzmantel ein wenig und trat einige Schritte auf den Badezuber zu. »Ich habe auch schon von dem Gerücht gehört, dass der Bayer heimliche Wünsche hat.«
»Gerücht nennt Ihr das?«, jammerte der Erzherzog. »Was nennt Ihr heimlich daran, wenn der Wittelsbacher mit den Kufsteinern längst unter einer Decke steckt? Ich weiß doch, was sie beabsichtigen: Sie wollen mir bloß ihr verdammtes Geld aufdrängen, mich totkaufen und dann ganz Tirol an ihr Haus bringen. Durch Gottes Ratschluss habe ich nun einmal keine Kinder, die mich beerben könnten …«
»Darüber würde ich mir keine Gedanken machen«, gab Jakob Fugger zurück. »Vergesst nicht, Hoheit, dass Kaiser Friedrich und sein Sohn Maximilian einem derartigen Erbraub niemals zustimmen würden.«
»Ach, sie sind schwach«, klagte Sigismund weinerlich, »viel zu schwach gegen die Bayern. Außer einem Protest haben sie doch nichts gegen mich in der Hand gehabt, als ich vor vielen Jahren die Markgrafschaft Burgau an Georg den Reichen von Niederbayern verkauft habe.«
»Vergesst mich nicht, Euer Hochwohlgeboren«, sagte Jakob und lächelte. »Solange ich hier in Innsbruck bin, wird Herzog Albrecht von Bayern Euch nichts abnehmen, und auch die Baumgartner, seine direkten Helfer in Kufstein, kommen nicht mehr an Euch heran.«
»An mich vielleicht nicht«, jammerte Sigismund weiter. »Aber was ist mit dem Ross? Der verrät mich doch schon lange – an Euch ebenso wie an die Baumgartner.«
Für einen Augenblick lief Jakob Fugger ein heißer Schauder über den Rücken. Er wollte einfach nicht glauben, was der halb trunkene, nackte Erzherzog eher beiläufig ausgeplappert hatte. Wenn das stimmte – wenn der Obristhauptmann Anton vom Ross nicht nur für ihn, sondern vielleicht sogar noch mehr für die Baumgartner arbeitete, dann hatte er selbst den größten von allen denkbaren Fehlern gemacht.
Anton vom Ross kannte ihn seit seinem ersten Besuch in Tirol auf der Rückreise von Venedig nach Augsburg. Er war über die Übernahme der Salzburger Gruben ebenso informiert wie über die Vorgänge von Primör und Bozen. Er hatte nicht einmal widersprochen, wenn Erzherzog Sigismund wieder einmal neue Kredite bekam und dafür Bergrechte abgeben musste.
Jakob schüttelte kaum merklich den Kopf. Genau genommen war ihm der Obristhauptmann durch keinerlei Treueversprechen verpflichtet. Jakob begriff plötzlich, dass er aus dem ersten Ärger über den scheinbaren Verrat des anderen auch Gewinn ziehen konnte. Wenn Anton vom Ross auf der Seite des Bayernherzogs und der Kufsteiner Konkurrenten stand, dann gab es für ihn selbst zwei eindeutige Schlussfolgerungen: Zum einen musste er sich mehr um die Fuggerschen Verbindungen nach Venedig kümmern und zum anderen
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