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Jakob der Reiche (German Edition)

Jakob der Reiche (German Edition)

Titel: Jakob der Reiche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R.P. Mielke
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Genauso wie nördlich der Alpen bewaffnete Haufen, eifernde Prediger und kriegslüsterne Fürsten marodierten, kreuzten in den Gewässern des Südens Schiffe jeder nur erdenklichen Bauart auf der Jagd nach Handelsfahrern. Aus unruhigen Zeiten wurden zusehends wildere, in denen kaum noch galt, was auf den Reichstagen an neuen Gesetzen und Verträgen beschlossen wurde.
    Jakob dachte daran, dass er einer Familie entstammte, die nicht schnell emporgekommen war, sondern über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg Kreuzer auf Kreuzer gelegt hatte. Niemand in seinem Familienzweig hatte mehr als für einen Kaufmann schicklich spekuliert. Keiner war auf den schnellen Gewinn oder Betrug des Geschäftspartners aus gewesen. Gewiss, es gab auch den Lukas Fugger vom Reh, der eine Art schillernde Kehrseite ihres Namens darstellte. Sie hatten nie besonders gut zueinander gestanden. Jakob war zutiefst davon überzeugt, dass auch tief fallen musste, wer so schnell und so hoch hinaufschoss. Während seiner gesamten Innsbrucker Jahre hatte sich Lukas Fugger vom Reh auf sämtlichen Verhandlungen immer wieder laut und prahlerisch gebärdet. Auch er hatte Sigismund Geld geliehen und anschließend damit geprahlt. Bereits beim Reichstag vor zwei Jahren in Frankfurt war er derjenige gewesen, der wie ein Krösus nach allen Seiten seine Schatullen und Geldkatzen geöffnet hatte. Jakob hielt das für willkürliche Vergeudung und nicht für das gezielte Einpflanzen von wertvollem Samen, der eines Tages Blüten und Früchte tragen sollte.
    Die Turmstümpfe der neuen Münchner Frauenkirche leuchteten gülden im Licht der untergehenden Sonne. Sie standen vor einem klaren, langsam ins Violette und Purpur übergehenden Himmel. Jakob Fugger versuchte sich vorzustellen, wie die Kirche in fertigem Zustand mit den geplanten beiden Spitzhauben aussehen würde. Je näher er der Stadt des Wittelsbachers kam, umso mehr bewegte ihn die Frage, was eigentlich dagegen sprach, dass die Bayern Tirol übernahmen.
    Wenn König Maximilian tatsächlich in der niederländischen Stadt Brügge ermordet werden würde, könnte sein Vater, der alternde und längst hinfällig gewordene Kaiser Friedrich  III ., nichts mehr für seinen verschwenderischen Verwandten Sigismund tun. Dann würde der Kaiser vor König Matthias Corvinus von Ungarn die Waffen strecken und zugleich Herzog Albrecht IV . von Bayern gewähren lassen müssen. Ohne Maximilian bliebe ihm nur noch seine Tochter Kunigunde und vielleicht noch sein Enkel Philipp der Schöne. Der jedoch war noch zu jung, um bei den politischen Auseinandersetzungen eine Rolle zu spielen.
    »Herzog Albrecht von Bayern oder Erzherzog Maximilian von Österreich«, sagte Jakob mehrmals laut vor sich hin. Bei jedem Namen zuckte ein Ohr seines Pferdes vor ihm in die Höhe – einmal das linke, dann wieder das rechte. Belustigt machte sich Jakob ein Spiel daraus, die Namen in unregelmäßiger Reihenfolge zu wiederholen. Wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde er es nicht geglaubt haben, aber das Pferd, von dem er noch nicht einmal den Namen wusste, stellte jedes Mal, wenn er »Albrecht« sagte, das linke Ohr auf und bei »Maximilian« das rechte.
    Jakob war viel zu sehr Kaufmann, um bei einem derartigen Zufall gleichgültig zu bleiben. Er sah über die Türme der neuen Frauenkirche hinweg und in den über ihm purpurrot und golden schimmernden Abendhimmel. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte er einen Handel mit Gott versucht. Auch diesmal lag ihm nichts ferner als ein derartiger Gedanke. Trotzdem wiederholte er noch einmal die beiden Namen.
    »Albrecht«, sagte er leise. Sein Pferd hob das linke Ohr. »Maximilian.«
    Diesmal schien sich das rechte Ohr zu bewegen. Damit stand für Jakob Fugger die Entscheidung fest. Er sagte auch später niemals, dass er vielleicht einem Gottesurteil gefolgt war. Selbst wenn er bei alledem nur aus dem Gefühl eines wunderbaren und noch kalten Frühlingsabends heraus geurteilt hätte, wäre es ihm recht gewesen. Bei aller Akribie selbst für die kleinste Zahl in den Firmenbüchern war der Erfolg kaufmännischen Handelns immer noch von einer unwägbaren Komponente abhängig, mochte man sie nun als Glück, Fügung oder göttliche Gnade bezeichnen.
    »Wir sind achtzehn Jahre auseinander«, sagte Ulrich Fugger am Abend des nächsten Tages zu Jakob, »und ich muss mich wohl damit abfinden, dass wir beide vollkommen unterschiedlichen Generationen angehören. Derartige Geschäfte, wie du sie im

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