Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
zum Erscheinen des Herbergsvaters, des so genannten Hostalero, zuzuwarten, bei dem die Übernachtung zu buchen und zu bezahlen war. Und ich hatte doch solchen großen Hunger! Die ehrenamtlich tätige Herbergsverwaltung schien gnädig gestimmt gewesen zu sein und erschien 30 Minuten früher als erwartet, so dass ich mein Hungergefühl doch noch frühzeitig stillen konnte. Zwar hatte der Deutsch sprechende Herr aus Luxemburg, den ich kurz nach Viscarret mit einem älteren Franzosen und einem älteren Franco-Kanadier wieder getroffen hatte, mir zu verstehen gegeben, dass er und die beiden anderen sich um 19.30 Uhr im örtlich einzigen Restaurant zum Abendessen einfinden würde und ich könnte zu dieser Truppe hinzu stoßen, falls ich dieses wünschte.
Zuvor allerdings begab ich mich zum Duschen. Beim Duschen hörte ich, wie draußen eine Frau lautstark verzweifelt warmes Wasser für ihre Kleiderwäsche suchte. Vor der Umkleide der Gemeinschaftsdusche für Männer, in der ich mich allein befand, bemerkte sie in einer schwäbisch derben, draufgängerischen Eigenart: „Do isch jo jemand drinn! Kann I rei kommä!“
„Isch doch mir scheiß egal!“ entgegnete ich lachend.
„Und mir ah!“ erwiderte sie spontan, worauf lautes, herzhaftes Lachen Dritter zu vernehmen war.
„Des Wasser isch jo kalt!“ musste sie trotz meinem entsprechenden Hinweis feststellen, wobei mir die Bemerkung herausplatzte: „I hab doch g’sagt, dass des Wasser kalt bis arschkalt isch!“
„Ein Macho!“, wurde von jemandem meine Reaktion kommentiert. Die treffendere Anmerkung wäre wohl gewesen: Schwaben unter sich!
Um 19.30 Uhr konnte ich keinen der drei Herrschaften antreffen, so dass ich mich alleine an einen größeren Tisch in diesem sicherlich für Massenabfertigungen ausgerichteten Saal hinsetzte. Ich wählte ein dreigängiges Menü mit einer Salatplatte, gefolgt von einem Lammgulasch ohne Beilagen und als Dessert eine Cremespeise. Hierzu bestellte ich noch einen Rotwein, wieder einmal als dreiviertel Liter Flasche, da ich mutmaßte, dass hier in Spanien keine Vierteles ausgeschenkt werden. Kosten: € 13,00. Als ich zahlte, bemerkte ich, dass der Luxemburger mit seiner Truppe hinter mir an einem anderen Tisch Platz genommen hatte. Deshalb konnte ich ihm nicht böse sein, zumal ich mich ihm gegenüber immer als Informationsbedürftiger präsentiert hatte und wegen meinen Französisch- und Spanischunkenntnissen gemeinschaftsfördernd keinen Gesprächsbeitrag leisten gekonnt hätte. Denn seine Begleiter, ein älterer Franzose und ein älterer Franco-Kanadier, sprachen nur ihre Muttersprache Französisch und der Franco-Kanadier zusätzlich noch Spanisch.
Für Morgen nahm ich mir vor, meinen luxuriösen Lebensstil einzuschränken und durch einen bescheideneren Lebenswandel dem Sinn und Zweck einer Pilgerschaft nunmehr besser zu entsprechen. Denn seither hatte ich mir unter dem Deckmäntelchen einer unumgänglichen, langsamen Eingewöhnung meines Körpers an die Strapazen einer Pilgerwanderung einen nicht gerade als entbehrungsreich zu bezeichnenden Lebensstil gegönnt. Auch nahm ich unter dem Gesichtspunkt einer angenehmen Abendgestaltung das Rauchen wieder auf, obgleich ich meine letzte Zigarette vor dem Gottesdienst in Viscarret geraucht und für keinen Nachschub gesorgt hatte. Ich fand, es wäre nunmehr an der Zeit, mich in ein bescheidenes Leben eines Peregrinos, eines Jakobspilgers, zu fügen und meine weitere Pilgerschaft diesem Ideal unterzuordnen, zumal ich ohne einsalben zu müssen keinerlei körperliche Beschwerden verspürte.
Montag, den 10.05.:
Auch heute hatte Petrus mit uns Pilgern wenig Einsehen. Während ich dabei war, mir zu überlegen, ob ich wirklich den sicherlich schlammigen Wanderpfad oder doch lieber die leichter zu begehende Nationalstraße nehmen sollte, lächelte mich ein älterer Herr verständnisvoll an und gab mir zu verstehen, dass er sich für die Straße entschieden hatte.
Auch ich wählte die Straße und gelangte nach Larrasoaña mit seiner gotischen, aus dem 14.Jahrhundert stammenden Brücke, die sogenannte Banditenbrücke. Für wahr! Auch ich konnte zwischenzeitlich von unsicheren Straßen ein Lied singen.
Obgleich Larrasoaña im Mittelalter das Statut „Städtchen der Franken“ erhielt und sich sein ehemaliger Bürgermeister als Herbergsvater rührend um die Pilger kümmern soll, wofür er von allen liebevoll „el alcalde de camino“, Bürgermeister des Weges, genannt würde, hatte
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