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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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ebenfalls in ein Ave Maria einfiel. Alles berührte mich zutiefst.
    Hinsichtlich der vorangerückten Tageszeit musste ich mich förmlich von dieser mich vereinnahmenden Stimmung losreisen und meinen Weg zur nächsten Ortschaft genannt Obanos fortsetzen. Hier fand ich nicht nur eine nagelneue, bestens mit Waschgelegenheiten für Mensch und Kleider ausgestattete Pilgerherberge sondern auch Daniela vor. Nach einem Hallo lud ich sie sofort zum Abendessen ein. Wie könnte es bei einem Schwaben schon anders sein, als dass sich meine Einladung auf ein Abendessen aus zwei Fertiggerichtkochbeutel Spagetti sowie einer Tüte Rotwein nebst einem Baguette bezog. Unsere Spagettis nebst Soße konnten nur in einer Mikrowelle gekocht werden. Da weder Daniela als auch ich noch nie ein Fertiggericht in einer Mikrowelle zubereitet hatten, war ein Gelingen unseres Abendessens nicht von vornherein gewährleistet. Unerschrocken überzeugte Daniela als wagemutige Köchin. Wie wir feststellen konnten, besteht der einzige Unterschied gegenüber einer Zubereitung auf einer Herdplatte darin, dass man die Teigwaren, obwohl sie schon weich gekocht sind, weiter ziehen lassen muss, damit auch die Soße ausreichend eindicken kann. Daniela meinte, sie sei mit diesem Abend sehr zufrieden, zumal wir nach unserem Dinner an den Tisch einer gleichfalls im Gemeinschaftsraum speisenden Gruppe eingeladen wurden. Obgleich ich der ausschließlich auf Spanisch und Französisch geführten Konversation nicht folgen konnte, wurde ich durch die Herzlichkeit, die Freude und Lustigkeit dieser internationalen Gruppe stimmungsmäßig mit hochgehoben. Für mich verlief dieser Tag sehr, sehr harmonisch.

     

Mittwoch, den 12.05.:
     
    Meine erste Sorge heute früh galt meinen gestern erstmals gewaschenen Kleidern. Wie befürchtet waren sie noch nicht trocken, so dass ich sie nass in meinem Rucksack verstauen musste. Obgleich ich gestern eine Wegstrecke von ca. 26 km zurückgelegt hatte, fühlte ich mich heute früh dennoch körperlich fitt, so dass einem „buen camino“, einem guten Weiterweg, nichts im Wege stand.
    Puente la Reina betrat ich durch das alte Stadttor. Schon alleine der Gedanke daran, dass seit alters her unzählige Pilger hier durchkamen, erfüllte mich mit einer gewissen Ehrfurcht. Linker Hand meines Weges entdeckte ich ein Cafe, in dem ich mir drei kleinere Baguettes kaufte. Die lang gezogene, mittelalterlich enge Pilgerstraße mit seinen beieinander stehenden Häusern erweckte in mir unausweichlich ein Gefühl der Zugehörigkeit zur ehernen Jakobspilgerschar. Wie bereits in Obanos so auch in Puente la Reina konnte ich die Kirchen und deren Kunstschätze nicht besichtigen. Sie waren verschlossen und die späten Öffnungszeiten wollte ich nicht abwarten. Noch innerhalb der Stadtmauern fand ich am anderen Stadttor, durch das man über die weltberühmte, mittelalterliche Brücke über den Fluss Arga seinen Pilgerweg fortsetzt, ein Bänkle, auf dem ich meine beiden Pilgerführer entspannt lesen konnte. So beherbergt die Kruzifix-Kirche u.a. ein angeblich von Pilgern aus dem Rheinland bis hierher getragenes Kruzifix aus dem 14. Jahrhundert, dessen Balken ein Y bilden, gleich demjenigen in der St. Martinskirche meiner Heimatgemeinde Schwaigern. Mit einer Vorstellung dessen, was hinter den von mir nur von außen besichtigten Mauern verwahrt wird, setzte ich meinen Weg fort.
    Der Weg, der zum Trampelpfad wurde, führte lange steil bergauf. Beim schweißtreibenden Aufstieg verspürte ich erstmals die Schwere meines Bauchrucksacks. Mein linkes Knie begann auch noch leicht zu schmerzen. ,Führe ich denn eine Sühnepilgerschaft durch!’, schoss es mir durch den Kopf. Beim nächsten Postamt werden mit Ausnahme meiner beiden Reiseführer sämtliche Bücher und weiter Entbehrliches nach Hause geschickt, diesem war ich mir sicher. Weder in der Ortschaft Mañeru noch in Cirauqui entdeckte ich solch ein Amt am Wegesrand.
    Kurz nach Cirauqui auf einer Anhöhe mit einem herrlichen Landschaftsblick konnte ich nicht anders, als mich hinzusetzen und die Strahlen der Sonne sowie die wunderschöne Umgebung auf mich wirken zu lassen. Ich begann, eines meiner hierzu mitgeschleppten Bücher zu lesen. Es war wundervoll. Der sanft mir ins Gesicht wehende, laue Wind tat sein Übriges hinzu.
    Nach ca. zwei bis drei Stunden raffte ich mich auf und setzte meinen Weg zufrieden fort. Obgleich ich doch schon einige Tage gewandert war, vermochte ich immer noch nicht eine innere Harmonie

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