Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Monate unbezahlten Urlaub genommen habe, und auf meine ein wenig peinliche Frage hin, dass sie ihre Kleidung in einem „Brünneli“ gewaschen habe. Da Daniela zwar jung jedoch klein an Wuchs ist und somit, wie sie sagte, ein wenig schneller laufen müsse, um mit mir Schritt halten zu können, hatten wir uns nach einiger Zeit freundschaftlich getrennt.
Irgendwann auf meiner weiteren, für mich anstrengenden Wanderschaft, als ich über meinen geistigen Zustand sinnierte, vermeinte ich, mein Kopf würde nicht zunehmend freier sondern vielmehr hohler werden. Nach etwa drei Wanderstunden erreichte ich die Ortschaft Zaraquiegui. Hier vor deren romanischen Kirche, deren Fundamentsockel einen angenehmen Sitzplatz zu geben versprach, legte ich eine Rast ein. Als neben den von mir zuvor überholten Pilgern auch noch der Herr aus Luxemburg vorbei kam, konnte ich mir den Ausruf nicht verkneifen: „So isch’s uff äm Camino! Überholen und überholt werden!“ Auch Daniela legte einige Zeit später hier eine Rast ein. Kurz darauf kündigten sich berittene Pilger mit dem Hufschlag ihrer Pferde an. In langsamen Tritt und hintereinander zogen sie an uns Rastenden vorüber. Außer den Pilgern auf ihren Drahteseln hatte ich seither nur über Pilger zu Pferde gelesen, dieses jedoch niemals für möglich gehalten. Der Camino ermöglicht anscheinend auch dieses.
Meinen Weg wieder alleine fortsetzend stieg ich trockenen Fußes die Passhöhe Puerto del Perdón hinauf. Wie schön war von hier oben aus die Landschaft anzuschauen. Bei dem diesigen Licht präsentierte sich das Umland wie ein in unterschiedliche Pastellgrüntöne getauchter, mit zahlreich kleinen Erhebungen versehener Flickenteppich, umrahmt von fernen, bewaldeten, zum Teil nur schemenhaft erkennbaren Bergen. Die leichte, frische Brise versetzte hierbei die grünende Natur in wellenartige Bewegungen. Dieses Naturschauspiel wurde durch die zeitweise zaghaften Sonnenstrahlen noch verstärkt. Es war einfach herrlich!
Nach Überquerung des Passes und weiteren ca. drei Wanderstunden hielt ich in der nächsten Ortschaft namens Uterga an, um erstmals wie die anderen mein Mittagessen einzunehmen. Allerdings hatte ich wieder einmal keinen Hunger, so dass es wie bei der Rast zuvor beim Durststillen verblieb. Wegen des stärker werdenden Windes spielte ich mit dem Gedanken, nicht weiter zu wandern sondern die hiesige Albergue, die Herberge, anzusteuern. Ein Blick auf meine Armbanduhr verriet mir, dass es erst 13.00 Uhr war. Zu früh, um nicht weiter zu marschieren, zumal es heute ein ausgezeichnetes Wanderwetter war.
In der darauf folgenden Ortschaft Muruzábal entdeckte ich ein Werbeschild für die Kirche Eunate. Ohne meinen Schritt zu verlangsamen öffnete ich meinen Bauchrucksack, entnahm ihm einen meiner beiden Reiseführer und las, dass ein Besuch dieser Kirche zwar empfehlenswert sei, dieses jedoch einen Umweg von ca. 3 km bedeute. Mein innerer Kampf hielt nicht lange an, so dass ich den Weg zur Kirche Eunate einschlug. Nach einiger Zeit erblickte ich eine für mich enttäuschend kleine Feldkapelle, die wie üblich verschlossen war. An ihrer südlichen Außenlängsseite fand ich zwei steinerne Sitzblöcke vor. Um nicht gänzlich umsonst den Umweg eingeschlagen zu haben, packte ich mein Vesper bestehend aus einem Baguette und rohem Schinken sowie meine Wasserflasche aus und genoss dieses bei strahlender Sonne. Hernach nahm ich meinen Reiseführer zur Hand und las, dass es sich bei der Kirche Eunate um eine harmonische, romanische Kirche handelt, deren Ursprung unklar sei, aber ihre achteckige Form und andere Indizien eine Templerkirche vermuten lassen. Die Kapelle, vor der ich saß, war zweifelsfrei nicht achteckig. Obgleich ich keine Abbildung von der Kirche Eunate besaß, war klar, dass ich mich umsonst über die angeblich unsinnige Empfehlung meines Reiseführers geärgert hatte.
Als ich nach einiger Zeit endlich die Kirche Eunate erspähte, war ich überwältigt. Einen derartigen Kirchenbau hatte ich, soweit ich mich entsinnen konnte, noch nie gesehen. Von einem Arkadengang ohne Anbindung an das eigentliche Kirchengebäude umringt strebte eine achteckige Kirche gen Himmel. Im Kircheninnern, deren Kuppeldecke sich eiförmig steil hoch empor wölbte, waren vor allem junge Menschen im Gebet versunken. Bei der leise im Hintergrund ertönenden Meditationsmusik erwachte in mir das Bedürfnis, zu meditieren und zu beten, so dass ich in dieser spirituell reizvollen Atmosphäre
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