Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Zustand, den man spaßig als „I glab, i bin so breit wie Stroß“ beschreiben könnte, flotten Schrittes auf den Weg nach der ca. 7,5 km von Navarrete entfernten Ortschaft Ventosa. Der Alkohol schien meine Gehbeschwerden betäubt zu haben. Jedenfalls kam ich dort noch rechtzeitig vor Einlassende in die einzige Unterkunftsmöglichkeit am Orte Ventosa, der hiesigen Pilgerherberge, an.
Als ich gerade an der Ortsbar vorbeilief, fragte mich eine aus der Bar herauskommende Frau, ob ich denn eine Herberge suche. Da ich dieses bejahte, erklärte sie mir kurz den Weg und meinte, ich solle doch hernach noch in die Bar zurückkommen, was ich auch tat, zumal diese Frau die Herbergsmutter zu sein schien und ich die Bettzuweisung nebst den anderen Formalitäten abzuwarten hatte. In der Bar saßen bereits einige wie sich später herausstellte gleichfalls Herbergsbewohner an einem Tische, an den sie mich hinzu luden. Meine mangelnden Spanischkenntnisse verwehrten mir wie üblich eine Gesprächsbeteiligung. Zurück in der Herberge saßen wir noch bis in die Nacht hinein zusammen. Vor dem Schlafen gehen nach einem heutigen Wegstreckenpensum von 20 km trug ich ins Herbergsgästebuch Folgendes ein:
„ 16.05.04 „Contra frustram eurem.“
Und ich lief und lief zwar leicht schwankend, aber ich lief. Als Württemberger ist man nun mal äußerst anfällig für guten Wein, für den Rioja weltbekannt ist. Allen, die diesen Umweg in Kauf genommen haben, kann ich nur eines sagen: Gott mit Euch auf dem Camino.
Ulrich aus Schwaigern (Württemberg)
PS.: Noch nie habe ich bei klassischer Musik meine Gedanken zu Papier gebracht. Herzlichen Dank an diese Herberge für den schönen Ausklang meines heutigen Tages. “
Montag, den 17.05.:
Während des Frühstücks, das ich erstmalig in einer Bar und zufälliger Weise am Tische der gestern bereits kennen gelernten bei-
den Brasilianer einnahm, wurde ich freundschaftlich auf Englisch darauf hingewiesen, dass hier nicht so sehr die Worte, als vielmehr das Gespräch wichtig seien. Morgens, mittags, abends! Schwätzen, schwätzen, schwätzen! Um nicht unhöflich zu erscheinen, verkniff ich mir einen Kommentar hierzu, wonach mir persönlich es viel lieber ist, einvernehmlich still schweigend neben einander zu sitzen als unentwegt dumm herum zu plappern.
Leicht erstaunt war ich allerdings, als ein altes, klappriges Auto vor die Herberge fuhr und diese beiden Herrschaften neben zwei weiteren aus der Herberge rasch ihre Rucksäcke in dieses Vehikel einluden, selbst einstiegen und davon fuhren. Nun ja, es gibt eben doch einige, die zwar gerne die angenehmen Seiten des Pilgerdaseins in Anspruch nehmen, die Mühsal jedoch scheuen.
Wie tags zuvor führte auch heute der Camino entlang vieler Weinfelder. Unter anderem bekam ich am Wegesrand viele kleine Steinmännle zu sehen, die die Vorbeiziehenden durch Auflegen eines neuen Steines auf einen oder mehrere bereits vorhandene sinnbildlich für die Befreiung von ihren Kümmernissen und Sorgen errichteten. Ich für meinen Teil hatte einen großen, schweren Stein als Fundament für ein neues, wenn möglich hohes Männle hingelegt. Ob die nach mir Kommenden dieses annehmen werden, werde ich wohl nie erfahren.
Da meine heutige Tour nicht all zu weit angedacht war, rastete ich am Wegesrand, löschte meinen Durst mit dem in der Herberge gezapften Leitungswasser und schaute den Winzern bei deren harten Arbeit in den steinigen Weinfeldern zu. Das sollte ich mir einmal zuhause erlauben! Ohne bissige Kommentare würde dieses zweifelsfrei nicht vonstatten gehen. „Hasch Du nix zu schaffa, Du Faulpelz!“ oder Ähnliches, müsste ich mir sicherlich anhören.
Als ich so auf dem kleinen Hügel in dieser schönen Hügellandschaft unweit des Wegesrandes saß und vor mich hinträumte, zog wie schon öfters das von mir als Karawane titulierte Wandertrio heran. Dieses Mal wurde die Karawane angeführt von dem Herrn aus Frankreich, gefolgt von einem weiteren nach Franko-Kanada ausgewanderten Franzosen und wie üblich bildete den krönenden Abschluss der als einziger dieses Trios der deutschen Sprache mächtige, mir bereits bekannte Herr aus Luxemburg. Die drei älteren Herren hatten sich auf dem Jakobsweg gefunden und wanderten seither gemeinsam. Als sie mich auf dem niedrigen Hügel erblickten, kamen sie sogleich zu mir herauf. Der Herr aus Frankreich begann, aus seinem französisch sprachlichen Reiseführer irgendeine neue Legende über den Eposhelden Roland
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