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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Kreuzschmerzen vermochte ich nicht richtig in die Hocke zu gehen, so dass der seit meiner Pilgerschaft erstmals aufgetretene „Flotte Otto“ sich nicht dahin platzieren ließ, wohin er eigentlich sollte. Notgedrungen blieb mir nichts anderes übrig, als meinen dünnflüssigen Kot von der gefliesten Wand mit Klopapier in den Ausguss zu befördern.
    Unter dem Vorwand, kurz Zigaretten kaufen zu wollen, und der Bitte an die Herbergsmutter, bis dahin mit dem Abschließen der Herberge zuzuwarten, suchte ich wegen des anhaltenden Rumorens in meinem Magen das WC der nächstgelegenen Bar auf. Gott sei’s gedankt! Es war ein Sitzklosett! Zurück in der Herberge wollte das Rumoren einfach nicht aufhören. Die Einnahme zweier Kapseln gegen Durchfall bescherte nicht nur mir sondern auch meinem Untermann in unserem Stockbett eine ruhige Nacht, sofern ich nicht zu stark geschnarcht hatte.
     

Samstag, den 15.05.:
     
    Dieser Tag versprach keine nennenswerten Vorkommnisse. Im 10 km entfernten Viana legte ich meine zweite Rast ein und las in meinem Reiseführer Folgendes: „In Torres finden wir eines der schönsten architektonischen Kleinode des Jakobsweges auf spanischer Seite: die Iglesia del Santo Sepulcro (Kirche des Heiligen Grabes)“. Wie von der Tarantel gestochen packte ich zusammen und suchte den örtlichen Busbahnhof auf. Ich konnte doch nicht meinen Weg fortsetzen, ohne dieses außergewöhnliche Kleinod gesehen zu haben, zumal ich gestern an dieser Kirche vorbeiwanderte und beinahe - durch das offen stehende Kirchenportal eingeladen - die Kirche besichtigt hätte, wäre nicht die Herbergsmutter zufälligerweise mit der Frage aufgetaucht, ob ich denn eine Herberge suche, und hätte diese mich nicht sogleich dorthin mitgenommen, so dass ich müde und erschöpft, wie ich nun einmal gewesen war, mein Ansinnen einer Kirchenbesichtigung vergessen hatte. Schon jetzt vorweggenommen: Ich konnte! Im Buswartehäuschen, in dem weder ein Routen- noch ein Fahrplan aushing, entnahm ich den Aussagen eines alten Spaniers, dass erst um die Tageszeit „Tardes“, also nachmittags, ein Bus zurück fahren werde. Als ich ihm meine Armbanduhr hinhielt, um die Tageszeit „Tardes“ genauer konkretisieren zu lassen, zeigte er auf die Ziffer drei. Um nicht an die zwei Stunden auf der Wartebank zubringen zu müssen, begab ich mich ins Stadtzentrum.
    Auf dem Vorplatz der Kirche Santa Maria, aus der das Mausoleum des Cesare Borgia, ein Sohn Papst Alexanders VI., wegen dessen ruchlosen, lasterhaften und unmenschlichen Lebenswandels kurz nach seiner Errichtung verbannt wurde, stieß ich unverhofft auf die ihren hiesigen Stadtheiligen feiernden Bürger Vianas. Von einem älteren Herrn unentwegt angestupst und mit Gesten aufgefordert, mir auch einen Becher Freiwein zu holen, begab ich mich mit einem Gefühl, möglicherweise als unverschämt zu gelten, zum Ausschank. Zum Wein wurden noch kostenlos eingelegte Oliven und saure Gürkle gereicht. Mein Becher wurde randvoll mit Rioja-Rotwein gefüllt. Jedes Mal, wenn ich einige Schlückle genommen hatte, kam ein anderer Spanier daher und füllte aus einem vollen Becher wieder nach. Den freundlichen ja sogar freundschaftlichen Annäherungen dieser Menschen konnte ich mich schwerlich entziehen und sie nur mit einem permanenten „gracias“ und „si“ erwidern.
    Für diese Menschen war die Sprachschwierigkeit nebensächlich. Einzig die Freude und der Stolz auf ihre Stadt, an denen sie mich teilhaben lassen wollten, zählten. Was bedeuteten hiergegen schon historische Kulturdenkmäler, auch wenn sie für sich alleine unser Leben mit zu bereichern scheinen? Einzig das Zusammenspiel historischer Bausubstanzen mit deren geschichtlichen, religiösen und spirituellen Zeugnissen und die gegenwärtig nicht musealen sondern alltäglichen Nutzungen bedingt eine allumfassende Bereicherung unseres menschlichen Lebens. Die Vergegenwärtigung des Vergangenen aber auch des Künftigen in Gestalt eines praktizierten christlichen Glaubens steigert unser Lebensgefühl, wie mir auf diesem Stadtfest in historischem Ambiente vor Augen geführt wurde.
    Während meiner geistigen Ergüsse schaute ich beiläufig auf die Uhr, die 14.00 Uhr anzeigte. Mein unbändiger Wille zur Rückkehr nach Torres del Rio war meinem Wunsche, hier bei diesen Leuten noch eine Weile zu bleiben und hernach weiter zu wandern, gewichen. Vielleicht macht die permanent körperliche Belastung einer Wanderschaft doch nicht stumpfsinnig?
    Der anschließende

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