Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Gehängten bewiesen war. All meine Bemühungen, den Gockel zu einem Kikeriki oder seine Henne zu einem Gegackere zu bewegen, schlugen fehl.
Immer stärker wurde für mich der Weg das Ziel. Da mir noch der halbe Tag zur Verfügung stand und ich keinerlei Lust verspürte, mir Santo Domingo de la Calzada näher anzuschauen, setze ich meinen Weg fort. Die Sonne stach vom wolkenlosen Himmel, das Brennen und die Röte meiner beiden Arme kündigten einen Sonnenbrand an und mein Schweißtuch war erneut völlig durchnässt. Endlich überquerte ich einen Bach, an dessen Ufer Bäume wohligen Schatten zu spenden versprachen. Die Gelegenheit nutzend entledigte ich mich meines Gepäcks, nahm einige, große Schlucke Brunnenwasser aus meiner Wasserflasche und legte mich hernieder. Das leichte Flattern der Blätter ließ ab und zu einige Sonnenstrahlen durch das Blattwerk dringen, so dass ich mir meinen Hut übers Gesicht ziehen musste. Ich kam mir vor, wie ein Cowboy in einem Westernfilm.
Nach meinem Nickerchen setzte ich meinen Weg bis zur 27 km entfernten Ortschaft Redecilla del Camino fort. Als ich einen falschen Weg dorthin eingeschlagen hatte und diesen arglos beging, machte mich ein weit entfernter Spanier mit den permanenten Ausrufen auf meinen Irrtum aufmerksam: „Peregrino! Peregrino!“ Als ich ihm entgegen schrie, dass ich kein Spanisch beherrsche, winkte er permanent in eine andere als von mir eingeschlagene Richtung. Dankend hierfür fand ich wieder zurück auf den Camino.
In Grañón hatte ich eigentlich mit einer Übernachtung geliebäugelt, derweil die hiesige Herberge vom Fränkischen Jakobsverein gesponsert wird. Allerdings schreckte mich die Empfehlungsbegründung meines Reiseführers ab, wonach man alles Essen gemeinsam zuzubereiten und damit auch zu verzehren habe. Zwar war ich hiergegen grundsätzlich nicht abgeneigt, jedoch war mir bei dem Gedanken unbehaglich zu Mute, womöglich nicht satt werden zu können, sollten sich einige mit an den Tisch setzen und mitessen wollen, ohne selbst entsprechend ihrem Appetit Lebensmittel miteingebracht zu haben. Brüderliches Teilen mag ja recht und schön sein, solange sich niemand aus persönlichen Bereicherungsabsichten mit durchfüttern lässt. Und dieses erschien mir in unserer heutigen Zeit nicht gerade abwegig, zumal Frechheit des Öfteren als obsiegend eingeschätzt wird. Um nicht zu riskieren, missmutig zu werden, ging ich einfach weiter.
Womit ich allerdings nicht in meinen kühnsten Träumen gerechnet hatte, ereignete sich in der Herberge in Redecilla del Camino. Nachdem die Formalitäten unter anderem auch die Entrichtung meiner Spende für die Übernachtung, für die in anderen Herbergen üblicherweise zwischen € 3,00 und € 7,00 gefordert wurden, erledigt waren, ich mein Gepäck an dem mir zugewiesenen Stockbett abgestellt und mich im Hof der Herberge bei einem Coca Cola zum Kräfte schöpfen nieder gesessen hatte, wurde ich von einem deutschen, mir unbekannten Pärchen völlig unbegründet angeraunt: “Sie sind kein Peregrino! Wegen Ihnen haben Leute die Herberge verlassen! Was Sie zu Hause machen bleibt Ihnen überlassen! Sie duschen gefälligst und waschen Ihre Kleider! Wir haben gesehen, dass Sie letztes Mal ungeduscht sich ins Bett gelegt hatten und betrunken waren!“ Dabei deutete die äußerst verärgerte Dame auf mein Getränk und meine seit Antritt meiner Reise ungewaschene Jeans. Meine Rechtfertigung, wonach es sich bei dem Getränk um Coca Cola handelt und ich doch jedes Mal vor dem schlafen Gehen, soweit die Tageszeit dieses zu ließ, geduscht habe, ließen sie nicht gelten. „Sie sind ein Herumtreiber!“ Selbstverständlich konnte ich leichten Herzens das Eingeforderte zu tun versprechen, da ich dieses ja sowieso vorhatte. Wie froh war ich, dass ich die von meinen Heimatkirchengemeinden sowohl in deutscher als auch in spanischer Fassung ausgestellten Empfehlungsschreiben in petto hatte. Hiermit können sie mir wenigstens meinen Pilgerstatus nicht abstreiten, dachte ich bei mir. Ein Deutsch sprechender Spanier schaltete sich in die Auseinandersetzung ein und meinte nach einigen sachstandsklärenden Fragen an mich, die ich wahrheitsgetreu beantwortete, lapidar gegenüber den Verleumdern: „Er schläft ja im Zimmer bei uns Spaniern!“ Nachdem ich kund getan hatte, dass ich es vorziehe, selbst die Herberge zu verlassen, bevor dieses andere wegen mir tun, zog der Deutsche es seinerseits vor, die Situation dadurch zu entschärfen, dass er
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