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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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zu einer kostenlosen, laut meinem Reiseführer deftigen Knoblauchsuppe einladen würde. Seit dem gemeinsamen Essen mit Daniela hatte ich keine warme Mahlzeit mehr zu mir genommen. Auch traf ich hier den Herrn aus Luxemburg wieder an. Wegen seinem Knieproblem vermochte er nicht, mit seiner Karawane weiter zu ziehen. Bei unserem kleinen Plausch schwärmte er von seiner gestrigen Herberge in der Kirche im Orte Grañón, in der er wie alle anderen gleich den Pilgern des Mittelalters in den Hohlräumen der Kirche hoch oben auf Höhe der Gewölbe untergebracht gewesen war. Ihn erstaunte es, dass die Steinmetze des Mittelalters auch die Pfeiler und Säulen, die vom Kircheninnern aus nicht sichtbar sind, sorgfältig ausgeschmückt hatten. Besonders verwunderte ihn jedoch das anderswo erlebte, äußerst schwärmerische Gebärden eines Pilgerpriesters für irgendeine unbedeutende Heilige. Luxemburg sei zu 99% römisch-katholisch, aber so etwas habe er noch nicht erlebt, echauffierte er sich. Ihm, einem pensionierten Lehrer, wie er mir einmal anvertraut hatte, wagte ich nicht, einen Vortrag über die Einflüsse des Protestantismus und damit auch der lutherischen Lehren auf das Gedankengut der Gegenreformation zu halten. So merkte ich hierzu lediglich beiläufig an, dass Luxemburg ja auch dem Deutschen Königreiche zugehörig und sich daher ebenfalls mit den reformatorischen Bestrebungen der damaligen Zeit auseinander gesetzt hatte, was wiederum sicherlich bleibende Auswirkungen auf die Wesensart der Menschen gehabt haben dürfte.
    Um den Abend angemessen begehen zu können, legte ich quasi meinen Sonntagsstaat, meine besten Kleider, an. Zuvor jedoch musste ich mich unter eine arschkalte Dusche quälen.
    Wie üblich war die Messe äußerst kurz gehalten. Die vom Pfarrer im Anschluss in Blechhäfele höchst persönlich servierte Suppe war eine mit Knoblauch verkochte, leicht scharfe Brotsuppe ohne den typischen Knoblauchgeschmack. Eben ein typisches Armeleute-Gericht, was allerdings nicht heißen soll, man hätte sie nicht essen können. Beim Löffeln meiner Suppe fiel mir ein, dass ich ja noch ein angeknabbertes Baguette hatte, das hervorragend hierzu schmecken und vor allen Dingen auch genügend sättigen dürfte. So schlich ich mich schnell zu meinem Rucksack und holte dieses hervor. Als ich so, ohne mir irgendetwas dabei zu denken, von meinem Baguette nach einander einzeln kleine Brocken unter dem Tisch abbrach und diese in die Suppe einbrockelte (stückchenweise hineingab), lächelte mich die mir gegenüber am Tisch sitzende Dame verschmitzt an und meinte auf Englisch, ich bräuchte mein Brot nicht vor den übrigen am Tisch zu verstecken, denn keiner würde es mir wegnehmen. Was will man darauf erwidern als ein nettes Gegenlächeln?!
    Für meinen Nachschlag sorgte der Herr Pfarrer persönlich. Ich musste nicht all zu lange warten, bis die Suppe bei mir ihre volle Wirkung entfaltete. Unter kräftigen und wirklich duftenden Winden musste ich meinen heutigen Tagesbericht abseits der übrigen Pilgerschar verfassen, der trotz den heute nur zurückgelegten 12,5 Kilometern doch verhältnismäßig lang ausfiel und daher auch wieder Abend füllend wurde. Meine auch heute wieder späte Herbergseinkehr bedingte erneut ein Notlager, eine Schlafstatt zusammen mit anderen auf dem Fußboden des Herbergsspeisesaales.
     

Freitag, den 21.05.:
     
    Ich hatte wunderbar geschlafen. Ein letzter etwas wehmütiger Blick zurück auf San Juan de Ortega werfend strebte ich nach Atapuerca, wo die Möglichkeit zum Frühstücken und Einkäufen bestand. San Juan de Ortega wirkte auf mich wie ein mittelalterliches, sich den weltlichen und geistlichen Bedürfnissen von uns Pilgern widmendes Gemeinschaftswesen. Ich fühlte mich dort sauwohl, vielleicht auch deshalb, weil ich nun einmal ein Landei bin. Und dennoch hätte ich auch hier keine innere Ruhe finden können, hätte ich mich nicht weiter auf den Weg gemacht.
    Auf dem Weg nach Atapuerca wies mir erstmals ein Schild mit der Aufschrift den Weg: Santiago 518 km. In Atapuerca angekommen kehrte ich wie geplant in eine kleine Raststätte ein, trank zwei Milchkaffees, zwei Gläser frisch gepressten Orangensaft, aß ein Croissant und kaufte meinen Proviant für heute ein. Nach meinem „Outdoor-Reiseführer“ stand mir noch eine Wegstrecke zwischen 20,3 km und 22,9 km bevor, auf der es keinerlei Unterkunftsmöglichkeiten, d.h., keine Herberge, keine Pension und kein Hotel, gab. Des Weiteren war mit

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