Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
Bis mich endlich einer zu einem im Umbau befindlichen Haus führte und meinte, gegenwärtig könnte nur diese Notunterkunft als Schlafstatt den Pilgern bereitgestellt werden. Es war nichts anderes als ein Dach über dem Kopf. Keine Toiletten! Keine Duschen! Einfach nichts als eine Baustelle! Waschen könne man sich ja am Brunnen, wurde mir angedeutet. Leider hatte dieser nicht einmal einen Trog. Einen Tagesstempel gab’s wie gewohnt, wobei Tagesstempel und Unterkunft dieses Mal gratis waren. Und dennoch war ich sicherlich ebenso wie die vier anderen Leidensgenossen, die sich gleichfalls völlig ahnungslos hierher verirrt hatten und ebenfalls nicht anderweitig vor Ort Unterkommen konnten, froh, für diese Nacht wenigstens ein Dach über dem Kopf zu haben. Die Nächte hier im Oca-Gebirge können laut meinem Reiseführer äußerst kühl werden, so dass es abwegig erschien, zu meinen, man könne die nächste Unterkunftsmöglichkeit noch heute erreichen, denn der Weg dorthin war weit und wegen des Berganstiegs auch beschwerlich. Wollte man nicht riskieren, die Nacht im Freien und Kalten und womöglich auch noch im Regen verbringen zu müssen, so musste man sich mit dieser Behelfsunterkunft zufrieden geben. Um meinen Vorsatz, den Jakobsweg gänzlich zu Fuß mit Gepäck zu meistern, nicht untreu zu werden, blieb mir nichts anderes übrig, als mich in mein Schicksal zu fügen. Heute fordert der Jakobsweg von mir nicht Bescheidenheit sondern tatsächlich erlebte Armut ab!
Donnerstag, den 20.5:
Auch die Nacht hielt das, was der Anblick des Notlagers versprach! Durch das unentwegte Vorbeidonnern von LKW’s und diesem ständigen, vor Ort nicht zu lokalisierenden, mittel hohen Summton konnte und konnte ich nicht einschlafen! Wen wundert es, dass ich zum ersten Male wie gerädert aufstand. Gott sei’s gedankt, öffnete die Ortsbar um 8:30 Uhr, so dass ich zumindest meine morgendliche, unaufschiebbare Notdurft verrichten konnte. Nach einem ausgiebigen und sehr langen Frühstück stand die Überquerung des Gebirgspasses Puerto de la Pedraja an. Ultreja heißt die Devise, auch wenn ich mich heute früh schlapp fühlte. Zufälligerweise erinnerte ich mich an einen gängigen Spruch der Häuslesbauer von zuhause, wonach ein Kasten Bier bei Handwerkern leistungsmäßige Wunder bewirken kann. Also bestellte ich mir entgegen meinen morgendlichen Gewohnheiten ein Bier mit der Folge, dass mein Magen zu rumoren anfing und ich des Öfteren die Toilette erneut aufsuchen konnte. Als sich mein Magen endlich wieder beruhigt hatte, konnte ich den Weitermarsch riskieren. Allerdings muss ich hierbei ehrlich bekennen, dass vier kleine Gläser Bier konsumiert waren, bevor ich mich um die Mittagszeit aufmachte. Zwar gilt nach wie vor der Slogan: „Der Weg ist das Ziel!“, jedoch begibt man sich auf den Weg um auch am Ziel anzukommen. Und hierbei bleibt nun einmal Voraussetzung, sich seiner körperlichen Verfassung anzupassen. Ergo habe ich nichts zu bereuen bzw. mir gegenüber nichts zu rechtfertigen!
Hinsichtlich der fortgeschrittenen Tageszeit verzichtete ich leichten Herzens auf eine Besichtigung des Taufbeckens in der hiesigen Santiago-Kirche, das aus einer riesigen Naturmuschel von den Philippinen bestehen soll.
Im Sprengel San Juan de Ortega besuchte ich die Kirche. Die Kühle des Kircheninnern war Labsal für meinen vor Schweiß triefenden Körper. Gleich den schon öfters Gesehenen war auch das hiesige Mausoleum mit einer unter einem Baldachin liegenden, dieses Mal San Juan de Ortega darstellenden Skulptur versehen. San Juan de Ortega widmete zusammen mit seinem Lehrmeister Santo Domingo de la Calzada sein Leben den vorbeiziehenden Pilgern, in dem er Kirchen, Spitäler und Brücken baute, um so das Pilgerdasein zu erleichtern. Anzumerken wäre noch, dass im Mittelalter nicht nur die Spitäler und Hospize den Pilgern die Möglichkeit zu einer sicheren Übernachtung boten, sondern auch die Kirchen. Nicht umsonst findet man auf dem Wege viele Kirchen mit Seiten umlaufenden Emporen im Kircheninnern vor, die als Schlafstatt für Pilger genutzt werden konnten.
Obgleich ich mein tags zuvor für heute angedachtes, nur 6,5 km weiter entfernt liegendes Etappenziel mühelos noch erreichen hätte
können, entschloss ich mich spontan, nunmehr endlich wieder an einer Pilgermesse teilzunehmen, zumal Pfarrer Don José Maria Alonso, der bereits wie Doña Felisa in Logroño zur lebenden Legende des Jakobsweges wurde, im Anschluss an die Messe
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