Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
lassen und hier in Burgos einen Ruhetag einzulegen. Man muss eben mit seinen Kräften haushalten, zumal dann, wenn einem von vielen zuhause prophezeit wurde, dass man konditionell die Wanderschaft nicht durchstehen werde.
Ein Vergleich der gestern Nacht beobachteten jungen Menschen Burgos mit unseren Jungen sollte genauso wenig Gegenstand meines Reisetagebuches wie Anmerkungen zur Mentalität der Spanier werden. Vielmehr werde ich mich auf mich selbst konzentrieren müssen, damit ein Gelingen meines Unterfangens nicht lediglich zum Wunschtraum werden wird. Heißt es nicht: „Der Glaube versetzt Berge!“ Und ich glaubte fest an ein Gelingen!
Auch fand ich, dass es nunmehr an der Zeit war, meiner Raucherei definitiv zu entsagen, zumal sich zwischenzeitlich ein derartiges Rauchverhalten eingeschlichen hatte, wonach ich während des Tages nicht aber dafür am Abend wie ein Schlot qualmte. Sicherlich kann der Jakobsweg nur dann einer von einem selbst gewünschten Veränderung förderlich sein, wenn man selbst auch gewillt ist, seinen Wunsch zu verinnerlichen und hernach kompromisslos in die Tat umzusetzen. Die alleinige körperliche Anstrengung der Wanderschaft wird und kann nichts bewirken. Sie kann nur unterstützen.
Meinem Gedankenspiel folgte wieder die Hingabe an die Botschaft der Kathedrale Burgos. Ich hatte mich in der Kathedrale verloren und vergessen. Die Weite und Höhe dieses Gotteshauses oder besser gesagt der einzelnen Kapellen, die überwiegend figürlich plastische Ausschmückung der Säulen, Wände, Gewölbe und Altäre, die Raumaufteilung des gesamten Kirchengebäudekomplexes in kleinere, optisch für sich abgeschlossene Gottesräume können nur ein Staunen hervorrufen. Unbeschadet der Größe dieser Kathedrale ist sie dennoch nicht für Massenveranstaltungen ausgerichtet. So befindet sich lediglich im Hauptschiff der Kathedrale ein größerer Sakralraum, der sich in den Gesamtkomplex des Kirchenschiffes harmonisch einfügt. Die beiden Seitenschiffe dienen lediglich als Umgang bzw. Zugang zu den zahlreichen Seitenkapellen und anderen Anbauten. Jeder einzelne Gottesraum birgt in sich eine gewisse Geborgenheit. Mir schien, als ob erst die Vielfalt der Glaubensgeheimnisse, denen die einzelnen Kirchentrakte gewidmet sind, die Größe und Herrlichkeit Gottes durch diese Kathedrale erkennen lässt.
Während ich staunenden Blickes die Atmosphäre dieser Kathedrale in Worte zu fassen versuchte, entging mir die fortgeschrittene Tageszeit, so dass ich meine Besichtigung erst nach zwei Stunden fortsetzen konnte. Die Kathedrale wurde nämlich zur Siesta von 14.00 Uhr bis 16.00 Uhr geschlossen.
Als ich die Kathedrale verließ, stiegen mir süßlich würzige Essensdüfte in die Nase, die mir sogleich den Speichel im Munde zusammenlaufen ließen. Nach einer Vorspeise und einem Fischgericht als Hauptspeise verzehrte ich einen gefrorenen, als Milchreisbrei mit Zimt auszumachenden Nachtisch. Wie schon so oft hatte ich vergessen, dass man hier entgegen unseren heimischen Gepflogenheiten nur dann ein Glas Rotwein serviert bekommt, wenn man dieses bei seiner Weinbestellung ausdrücklich erwähnt. So war ich zum ersten Male in meinem Leben gehalten, zwar eine ganze Flasche Rotwein zu bezahlen, hiervon jedoch mehr als die Hälfte dem Wirt zu schenken. Der schwäbische Leitsatz „Und wenn’s den Magen verrenkt, dem Wirt wird nichts g’schenkt!“ musste notgedrungen hinter die Erfordernisse eines klaren Verstandes zurücktreten. Und ein Mitnehmen der angebrochenen Weinflasche schied auch aus, da es sich für einen Pilger, einen Peregrino, nun einmal nicht geziemt, in seinem Handgepäck derartiges mit sich zu führen. Wie allerdings der geringe Preis von € 11,30 zustande kam, entzog sich meinen Kenntnissen. Ich jedenfalls musste mir deswegen keine Gedanken machen, da ich die Rechnung verlangt hatte und diese ohne mein Hinzutun ausgestellt wurde.
Es dauerte lange, bis ich mich an die Pracht und Schönheit der Kathedrale, an den zu Leben erweckt scheinenden, steinernen Figuren und Bildnissen, an den Deckengewölben, an den Glasfenstern u.s.w. satt gesehen hatte. Am Kathedralenausgang saß eine Bettlerin, der ich nach der Tradition des Jakobsweges etwas Geld spendete.
Überwältigend war auch der riesige, steinerne Hochaltar in der benachbarten San Nicolás Kirche. Filigran aus dem Stein herausgearbeitete, biblische und kirchengeschichtliche Szenen auf einer Wandfläche von geschätzten 8,00 m x 16,00 m bestachen das
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