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Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
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Orientierungsschwierigkeiten im Dschungel der Großstadt von Burgos zu rechnen. So galt es, sich zu sputen, ohne jedoch in übertriebene Eile zu verfallen. Und dennoch konnte ich mich nicht vom Frühstückstisch zeitig erheben, obgleich ich es wollte. Mein noch ausstehender Morgenschiss hatte sich zwar schon lange angekündigt, ließ allerdings unsäglich lange auf sich warten. Mir blieb deshalb nichts anderes übrig, als zuzuwarten. Unterwegs sollte ja kein Malheur passieren, zumal sich auch mein Toilettenpapier langsam dem Ende zuneigte. Dieser allmorgendliche Umstand fing an, lästig zu werden. Etwa um 10.30 Uhr war es endlich soweit. Ich konnte die heutige Herausforderung antreten.
    Anfangs führte der Weg über sanfte, zum Teil bewaldete Hügel. Je mehr man sich Burgos näherte, desto flacher wurde der Weg bis man wie bei Großstädten üblich ins triste Vorstadtmilieu eintauchte. Etwa um 18.30 Uhr schlappte ich vorbei am Standbild Adefons, wahrscheinlich ein kastilischer König, durch das ehemals mittelalterliche Stadttor Burgos, das zwischenzeitlich zum Durchhaus umgestaltet wurde, und vorbei an der Kathedrale. Als ich die Kathedrale schon einige Schritte hinter mir gelassen hatte, musste ich zum Verschnaufen kurz auf einem Bänkle rasten. Hierbei fiel mein Blick zufällig auf einen Neubau mit der Aufschrift HOTEL ABBA BURGOS. Der Anblick alleine genügte, den Wunsch in mir zu entfachen, nur eine Nacht einmal wieder ausschlafen zu können und nicht dieses permanente Schnarchkonzert in den Herbergen ertragen zu müssen. Einmal wieder eine eigene Nasszelle mit Toilette für mich ganz alleine zu haben! Und vor allen Dingen einmal wieder selbst bestimmen zu können, wann ich schlafen gehe und wann ich aufstehe! In den Herbergen ist üblicherweise mit Einlassschluss etwa um 22:00 Uhr Nachtruhe angesagt und morgens wird man unsanft durch die Aufbruchaktivitäten der anderen so ab 5.00 Uhr geweckt. Etwa um
    8.30 Uhr hat man spätestens die Herberge zu verlassen, notfalls auf sanften Druck der Herbergseltern hin. Da ich jedoch dem Geiste des Jakobsweges, der Bescheidenheit, nicht gänzlich entsagen wollte, fiel meine Wahl auf ein Mittelklassehotel als vertretbaren Kompromiss.
    Nach Zimmerbezug wurden sofort meine Unterwäsche, eines meiner beiden Wandersockenpärchen, mein Wanderhemd sowie
    mein Schweißtuch gewaschen. Anscheinend verträgt sich die Faser meiner Unterwäsche nicht mit meinem Kaltwaschmittel. Je öfters ich sie durch die Waschlauge zog, desto blauer färbte sie sich, obgleich ich bei jedem Waschgang Bunt- und Weißwäsche trennte. Auch ein noch so kräftiges Nachspülen in Frischwasser konnte diesen chemischen Vorgang nicht stoppen.
    Wie gestern schmiss ich mich nach dem Duschen in meinen Sonntagsstaat und machte mich auf, ein Restaurant aufzusuchen. Beim Schlendern durch die Altstadtgassen Burgos klangen unerwartet heimatliche Klänge an mein Ohr. Eine Straßenkapelle, bestehend aus je einem Geiger, Akkordeonisten, Klarinettisten, Bassisten und Trommler, gaben den Marsch der Hoch- und Deutschmeister zum Besten. Die Instrumentalisierung ähnelte derjenigen von österreichischen Schrammelmusikanten.
    Zum Abendessen gönnte ich mir als Vorspeise einen gemischten Salat, als Hauptspeise ein Lammgericht nach Art des Hauses und als Nachspeise Erdbeeren mit Schlagsahne. Dazu schlotzte ich vier kleine Gläser Rotwein. Für meine Unterhaltung sorgte ein gleichfalls alleine mit seinem Rad reisender Wallfahrer aus Schottland am Nachbartisch. Etwa um 23.45 Uhr ging ich zurück zum Hotel, nicht jedoch ohne zuvor diesen Tagesbericht verfasst zu haben. Mein heutiges Streckenpensum betrug ca. 27 km und meine Unkosten für diesen besonderen Abend inklusiv Übernachtung und Trinkgeld € 70,00.
     

PS. am 22.05.:
     
    Als ich zurück zum Hotel latschte, schien Burgos erst zum Leben zu erwachen. Um wenigstens das Lebensgefühl der Spanier etwas auf meiner Pilgerreise erahnen zu können, entschied ich mich für eine kleine Kneipentour in der Altstadt. Warum nicht?
     

Samstag, den 22.05.:
     
    Als ich aus meinem Tiefschlaf erwacht war und um 8.15 Uhr aus dem Fenster sah, regnete es. Als ich um 9.30 Uhr wieder aus dem Bette stieg und erneut hinaus sah, regnete es zwar nicht mehr, jedoch übermannte mich mein Hang zur Bequemlichkeit auch deshalb, weil sich die körperlichen Anstrengungen in den letzten vierzehn Tagen bemerkbar gemacht hatten. So beschloss ich, entgegen meinem Drang zum Weiterziehen die Vernunft walten zu

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