Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles
inoffizielle Schwabenhymne „Uff äm Wasä grasä’d Hasä“ vorzusingen. „Und ewig lockt das Weibliche“ oder so ähnlich hat schon Goethe in seinem Faust festgestellt.
Während des Hinweges beschäftigte mich die Art und Weise, wie ich meinen Liedvortrag am Besten anbieten könnte. Einfach zu fragen, ob ich mit einem schwäbischen Lied bezahlen dürfte, hielt ich für das aller Klügste. Vor der Herberge in La Faba nahm ich meinen gesamten Mut zusammen und begab mich in die Höhle des Löwen. Als ich vor dem Tische der Herbergsmutter saß, die soeben die Formalitäten meiner Einquartierung erledigte, entdeckte ich eine auf dem Tisch geklebte Herbergsinformation, in der u.a. zu lesen war: „Nach seiner Verfügung dürfen Pilgerinnen und Pilger aus Baden-Württemberg kostenlos übernachten, wenn sie sich durch das Aufsagen eines Gedichtes von Schiller, Hölderlin, Mörike, Uhland e.t.c. oder das Absingen sämtlicher Strophen eines Silcher-Liedes ausgewiesen haben.“. Meine vorsorgliche Nachfrage, ob denn nicht auch eine einzige Liedstrophe ausreiche, um in den Genuss des ,jus primae noctis’ zu gelangen, wurde unmissverständlich verneint. Da ich als guter Schwabe jeweils nur die erste Strophe der mir bekannten Lieder gekonnt hätte, wurde mir die Peinlichkeit eines Liedvortrages erspart. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als ich meinen Obulus von € 4,00 für die Übernachtung reinen Herzens entrichten durfte. Ich bezahlte gerne!
Mittwoch, den 16.06.:
Mit jedem Morgen fiel es mir schwerer, mich vom Frühstückstische los zu reißen und auf den Weg zu machen. Sobald ich mich allerdings auf dem Weg befand, war mein morgendlicher Hang zum Müßiggang wie weggeblasen. Wieder und wieder konnte ich mich an Gottes Natur und auch daran erfreuen, mich meinem Pilgerziel zu nähern bzw. genähert zu haben. So war es auch heute, zumal nach einer Entfernungsangabe in der Herberge von La Faba mir nur noch 155 km bis Compostela bei einer Resturlaubszeit von ca. drei Wochen zuzüglich einer Erholungswoche bevorstanden. Ich stand also nach wie vor nicht unter Zeitdruck, was meiner Behäbigkeit nicht gerade abträglich war.
Entgegen meinen Erwartungen erweckte das Passieren der Grenze nach dem von mir lang ersehnten Galicien kurz vor der Ortschaft O Cebreiro keine Euphorie in mir. Vielmehr überschritt ich sie teilnahmslos. Für mich war der Grenzstein ein Stein wie jeder andere. Auch das Bewusstsein, dass ich nunmehr Kastilien-León verlassen hatte und mich in der Region Santiago de Compostelas befand, änderte hieran nichts. Bewegender war für mich zuvor der Umstand, dass mich eine des Weges heraufziehende Kuhherde mit ihrem berittenen Hirten auf Neudeutsch auch Cowboy genannt nicht vorbei ließ, so dass ich diesen quasi als zweibeiniges Rindvieh nur hinterher trotten konnte.
Zwischen immensen, mit Heide bewachsenen Berghängen führte der Weg steil hinauf auf den Gipfel des Cebreiro und dessen galicischen Ortschaft O Cebreiro. Erstmals betrat ich eine bereits bei den Kelten gebräuchliche, strohgedeckte Rundhütte, die sogenannte Palloza. Der Rundbau war innseitig mit steinernem Mauerwerk drei geteilt, so dass eine gesonderte Raumnutzung möglich gewesen war bzw. ist.
Und wieder einmal fand ich in der Gipfelkirche O Cebreiros Reliquien einer auf dem Jakobsweg unzählig christlichen Wunderlegenden vor, dieses Mal dergestalt, dass auf einer Patene (Messteller) und in einem Messkelch im 14. Jahrhundert das Blut und Fleisch Christi nach sichtbarer Materienwandlung des Messweines und der Hostie aufgefangen worden sein soll. Darüber, ob das Fleisch bereits Anzeichen einer Verwesung erkennen ließ, ist freilich nichts überliefert. Zumindest das Blut dürfte noch nicht geronnen sein, derweil man es ansonsten nicht auffangen hätte können.
Anscheinend fragen wir Deutschen immer zuerst nach dem Wahrheitsgehalt einer christlichen Legende nebst deren Reliquie; Briten und Amerikaner nach deren Verkaufswert?! Südeuropäer hingegen glauben dieses einfach und verneigen sich vor dem dahinter vermuteten Glaubensgeheimnis.
In diesem schlichten Gotteshaus mit der leisen Sakralmusik im Hintergrund rückte der Sinn und Zweck meiner Wanderschaft, nämlich diese als Pilgerschaft anzusehen und als solche zu betreiben, wieder in den Vordergrund. Die Erwartung des nahenden Zieles schien dieses ein wenig verdrängt zu haben. Auch meine Gebete
waren diesem nicht gerade abträglich, derweil sie schon immer weniger ein Flehen um
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