Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles

Titel: Jakobsweg - Ein Weg nicht nur für Gscheitles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Gast
Vom Netzwerk:
ich auf einer Bank im Schatten der Kirchenpergola noch eine Weile den plaudernden, in einzelnen Gruppen zusammenstehenden Menschen zu und verzehrte dabei einen Apfel und eine Orange. Vielleicht aus Mitleid oder Höflichkeit führte einer der Versammelten auf Englisch mit mir ein kleines Gespräch. Diese Geste fand ich sehr nett.
    Trotz meiner Schläfrigkeit, die mich während des Gottesdienstes überkam, musste ich mich aufraffen und weiterziehen. Unterwegs kaufte ich mir eine Schachtel Zigaretten und eine Dose Coca-Cola und ließ mich auf einem Bänkle im Schatten eines einstöckigen Gebäudes zur Zwischenrast nieder. Das aus dem Gebäude dringende litaneienhafte Gemurmel weckte meine Neugierde. Es war eine Marienandacht. Für heute jedoch war mein Bedarf an Spiritualität zur Genüge gedeckt. Ich wollte nur weiterziehen.
    Die anschließende Wanderung war nichts anderes als eine Malocherei durch unschöne, dicht aufeinander folgende Vorstädte zum Teil auch entlang einer viel befahrenen, stinkigen Gemeindeverbindungsstraße. Von jetzt auf nachher wechselte das Landschaftsbild. Mit Überquerung der Autobahnbrücke präsentierte sich eine Weinberglandschaft par excellence, durchwoben mit großen, alten, schattigen Hainen im Tale. Das den Blick begrenzende, ferne Bergpanorama und die dahinter langsam untergehende Sonne taten ihr Übriges. Ich war entzückt. Nicht einmal mein ansonsten so hoch geschätztes, gleichfalls von Weinbergen geprägtes, württembergisches Unterland schien der Schönheit dieses Gaues gewachsen zu sein.
    Welch eine Wonne wurde mir im Winzerort Cacabelos beschert, als ich abgespannt und tot müde endlich wieder einmal einen Schlüssel in ein Schlüsselloch zu einem Einzelzimmer mit Nasszelle stecken konnte. Der Umstand, dass ich wegen der fortgeschrittenen Nachtstunde dieses notgedrungener Maßen tun musste, war mir in diesem Augenblick völlig schnurz piep scheiß egal.
     

Sonntag, den 13.06.:
     
    Gleich nach dem Aufwachen raste ich zur Rezeption hinunter und buchte eine weitere Nacht. Dass heute Fronleichnam in Spanien
    gefeiert wurde, bekam ich erst beim gelegentlichen Fernsehschauen während meiner Klamottenwäscherei mit.
    Bei meiner kleinen Stadtbesichtigung kam ich auch in der hiesigen Ortskirche am Frühnachmittag vorbei. Die Fronleichnammesse war noch nicht beendet, so dass ich den Rest des Gottesdienstes sowie die anschließende, um den Dorfplatz herum führende Fronleichnamprozession mitverfolgen konnte. Angeführt wurde die Prozession von einem Kreuzträger gefolgt von Blumen streuenden Kommunionkindern. Hernach schritt eine mehr laute als musikalisch stimmige Trommler- und Bläsergruppe dem Allerheiligsten voran, das an zwei Stangen auf den Schultern zweier in weißen Hemden und schwarzen Hosen gekleideten, langsam im Takt der Musik von rechts nach links weit ausladend im Gleichschritt schwankenden Männerreihen getragen wurde. Das Podest glich einem offenen Tabernakel und war mit Orchideen geschmückt. Als ein erwachsener Ministrant den Leib Christi, der nach römisch-katholischer Dogmatik in der Hostie gegenständlich und gegenwärtig ist, mit dem Weihrauchfass von tief unten nach hoch oben zur Monstranz hinauf beweihräucherte, musste ich bei mir denken, dass die Spanier Jesus Christus anscheinend gleich einem hoch erhabenen möglicherweise gnädigen König, dem man jedoch untertänig zu sein hat, und nicht gleich einem Mitmenschen, der allzeit Anteil an unserem irdischen Dasein nimmt, würdigen. Dieses schien mir zum ersten Male bei unseren heimischen Fronleichnamprozessionen dadurch symbolisiert, dass ein Priester die die Hostie enthaltende Monstranz in seinen Händen hält, wobei der Baldachin darüber lediglich die Stellung Jesus Christus auf Erden hervorheben dürfte. Irgendwie konnte ich mich einer gewissen, innerlichen Häme darüber nicht entziehen, dass sich die Menschen hier alles verdammt einfach zu machen scheinen, indem sie sich wahrscheinlich sagen, Gott und damit auch Jesus Christus möge im Himmel herrschen, hier auf Erden jedoch bestimmen wir und dieses sei wohlgetan.
    Nach der Fronleichnamprozession aß ich etwas in einem nah am Dorfplatz gelegenen Restaurant und begab mich danach zum Flussufer, um das laut meinem Reiseführer vorhandene Strandbad zu erkunden. Hierbei traf ich auf ein sehr junges und sympathisches Wanderpärchen, das sich über das Brückengeländer lehnte und hinab zur menschenleeren Standwiese am Ufer des angestauten Rio Cúa blickte. Beim

Weitere Kostenlose Bücher