Jamaica Lane - Heimliche Liebe
lassen. Jo hatte gesagt, es bestehe Verdacht auf Herzinfarkt.
Ich warf dem Taxifahrer das Fahrgeld hin, sprang aus dem Wagen und rannte zum Haupteingang des Krankenhauses.
Bitte, bitte, mach, dass es Nathan gutgeht. Bitte.
Er war so ein netter Mann.
Noch einen Verlust kann Nate nicht verkraften.
Ich stürzte zur Anmeldung, um mich nach Nathan zu erkundigen, doch dann hörte ich Nate meinen Namen rufen. Ich blieb stehen und sah mich um. Nate stand in der Mitte des vollbesetzten Wartebereichs. Er war bleich und erschöpft.
Trotzdem konnte ich mich nicht an ihm sattsehen. Der Bart war verschwunden, aber seine Augen waren immer noch so wunderschön wie früher, nur hatte er jetzt vor Sorge einen verkniffenen Zug um den Mund. Hinter ihm saßen Sylvie, Cam, Cole und Jo. Sylvie war dabei, ein Papiertaschentuch in kleine Fetzen zu reißen. Wie sie mit großen Augen verzweifelt auf die Türen zu den OP s starrte, erinnerte sie mich an ein verängstigtes Tier.
»Nate.« Zögernd blieb ich vor ihm stehen. Ich wusste nicht, ob ich ihn umarmen sollte. Am liebsten hätte ich es getan. »Gibt es schon Neuigkeiten?«
Er schüttelte mit trüben Augen den Kopf. »Er ist im OP . Bisher ist noch niemand rausgekommen.«
Jetzt hielt mich nichts mehr. Ich überbrückte den Abstand zwischen uns mit einem letzten Schritt und schlang die Arme um ihn.
Nate lehnte sich an mich. Seine starken Arme legten sich um meine Taille, und er barg den Kopf an meinem Hals.
So blieben wir eine ganze Weile stehen.
***
»Die Angehörigen von Nathan Sawyer?«, fragte ein Arzt in die Runde.
Nate und seine Mutter schnellten von ihren Sitzen in die Höhe und eilten zu ihm. Ich warf einen Blick auf Jo, Cam und Cole, dann auf Peetie und Lyn, die kurz nach mir gekommen waren. Wir hatten stundenlang gewartet, und jetzt war in allen Gesichtern dasselbe zu lesen.
Hoffnung.
Verzweifelte Hoffnung.
Als ich Sylvie aufschluchzen hörte, wich mir die Luft aus den Lungen. Wie durch einen Nebel nahm ich wahr, dass Nate seine Mutter in die Arme schloss. Cam, der vor Sorge und Müdigkeit eingefallene Augen hatte, stand auf, ging zu seinem Freund und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Nate schüttelte den Kopf und brachte ein dünnes Lächeln zustande.
Daraufhin sackte Cam in sich zusammen, als fiele eine Last von ihm ab, und ich konnte wieder atmen. Er kam zu uns zurück und fuhr sich zitternd mit der Hand durchs Haar. »Nathan hat die OP überstanden. Sein Zustand ist stabil.«
***
»Klopf, klopf.« Ich setzte mein bestes Lächeln auf und steckte den Kopf durch den Türspalt.
Die letzten Tage über hatte ich mich Nate und seinen Eltern nicht aufdrängen wollen, aber am Montag ging ich früher von der Arbeit nach Hause, um es noch vor Ende der Besuchszeit in die Klinik zu schaffen.
Nathan war allein in seinem Krankenzimmer und schaute fern. Erst blinzelte er verblüfft, als er mich sah, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Da ich lange einen schwerkranken Menschen gepflegt hatte, war ich eine Meisterin darin, meine Reaktion auf die körperlichen Veränderungen, die eine Krankheit mit sich brachte, zu verbergen. Nathan wirkte geschrumpft, wie er so in seinem Bett lag. Seine Wangen waren hohl, und er hatte mehr Falten um den Mund als bei unserer letzten Begegnung.
»Was verschafft mir die Ehre?«, fragte er. Er setzte sich auf, wobei er auf die Schläuche achtgab, die ihn mit diversen Monitoren neben seinem Bett verbanden.
Ich legte die mitgebrachten Blumen auf den Nachttisch und holte mir einen Stuhl. »Ich habe mir Sorgen um Sie gemacht.«
»Ach was.« Er winkte ab. »Was ist schon ein kleiner Herzinfarkt?«
Ich sah ihn mahnend an.
»Ja. Sylvie fand das auch nicht komisch.«
Meine Mundwinkel zuckten. »Bringen Sie mich ja nicht zum Lachen. Ich versuche, streng zu sein.«
»Streng?«, wiederholte er beleidigt. »Streng? Ich muss für den Rest meines Lebens Medikamente nehmen und auf all meine Lieblingsgerichte verzichten. Mein ganzes zukünftiges Leben sieht streng aus, da muss eine hübsche junge Frau nicht auch noch streng zu mir sein.«
»Also gut«, lenkte ich ein. »Dann verkneife ich es mir.« Verwirrt sah ich mich im Zimmer um. »Wo ist Sylvie?«
»Ach, die habe ich nach Hause geschickt. Sie war zu Tode erschöpft, aber sie wollte mich nicht allein lassen.« Er schnalzte mit der Zunge. »Ich musste den Arzt dazu anstiften, dass er sie überredet, nach Hause zu gehen und sich ein bisschen hinzulegen. Bestimmt bekomme
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