Jamaica Lane - Heimliche Liebe
Nate.
Es kostete mich all meine Selbstbeherrschung, nicht ranzugehen. Ich wollte rangehen, denn ganz offensichtlich bereute er, mich verletzt zu haben. Ich verstand das. Ich konnte es nachvollziehen. Aber es änderte nichts daran, dass es immer noch zu schmerzhaft war, ihn um mich zu haben.
Folglich beschloss ich, am nächsten Samstag mit Ben auf die Hochzeit zu gehen.
Da sie anscheinend ein fester Bestandteil jeder anständigen schottischen Trauung waren, schallten auch diesmal die Proclaimers durchs Hochzeitszelt, während ich und Ben an unserem Tisch saßen. Ich hatte ihm bereits hundertmal gesagt, er solle ruhig aufstehen und sich unter die Gäste mischen, woraufhin er jedoch erklärt hatte, der Sinn und Zweck, eine Fremde zu einer Hochzeit mitzubringen, bestehe gerade darin, dass man eine Entschuldigung hatte, genau das nicht tun zu müssen.
Er bewies mir mehr und mehr, dass er humorvoll und charmant war – und dass ich eine Vollidiotin wäre, wenn ich es nicht wenigstens mit ihm versuchte.
»Kann ich dir noch was zu trinken bringen?«, fragte Ben und deutete auf mein fast leeres Champagnerglas.
Ich schüttelte bedauernd den Kopf. »Bei meiner letzten Hochzeit habe ich mich betrunken und Dinge gesagt, dich ich inzwischen bereue.«
Er lächelte spitzbübisch. »Jetzt will ich erst recht, dass du mehr trinkst.«
Ich lachte. »Nein, das willst du nicht.«
»Und … was hast du damals gesagt?«
»Es ist weniger das, was ich gesagt habe, als das, wozu das Gesagte am Ende geführt hat.«
»Nämlich?«
»Ein gebrochenes Herz.« Kaum waren die Worte heraus, bereute ich sie. »Ben, entschuldige. Ich bin die schlimmste Hochzeitsbegleitung aller Zeiten.«
Er schenkte mir ein verständnisvolles Lächeln. »Weißt du, womit du es wiedergutmachen könntest?«
»Womit?«
»Erzähl mir von ihm. Nate«, vermutete er richtig. »Was ist passiert? Vielleicht hilft das.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das willst du dir nicht antun.«
»Und wenn ich den Anfang mache?«
Natürlich siegte meine Neugier. Ich hätte zu gerne die Geschichte von Bens Liebeskummer gehört, doch gerade als ich ihn bitten wollte zu erzählen, klingelte mein Handy. Mit einem entschuldigenden Lächeln holte ich es aus meiner Clutch.
Als ich den Namen auf dem Display las, bekam ich am ganzen Körper eine Gänsehaut.
Nate.
Wusste er, dass ich mit Ben verabredet war? Rief er deshalb an? Erbost darüber, dass er sich ständig in mein Leben einmischte, steckte ich das Handy wieder weg.
Ben deutete mit dem Kinn auf meine Clutch. »War er das?«
»Woher weißt du das?«
»Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass ich auch jedes Mal so ein Gesicht mache, wenn meine Ex versucht, mich anzurufen.«
»Was für ein Gesicht?«
»Ein ›Am liebsten würde ich dich in Stücke reißen, warum lässt du mich nicht endlich in Ruhe, du blöde Kuh‹-Gesicht. Oder in deinem Fall: ›du blöder Arsch‹.«
Ich lachte humorlos und zuckte dann mit den Schultern. »Nah dran. Eigentlich ist es eher so, dass ich mich krampfhaft bemühe, wieder der Mensch zu werden, der ich war, bevor das alles passiert ist, aber jedes Mal, wenn jemand seinen Namen sagt oder er anruft, muss ich daran denken, dass ich vermutlich nie wieder so sein werde, weil … er mich unwiederbringlich verändert hat.«
Eine Zeitlang saßen wir da und schwiegen.
Schließlich nahm Ben meine Hand und strich mit dem Daumen über meine Fingerknöchel. »Irgendwann wirst du morgens beim Aufwachen nicht mehr als Erstes an ihn denken.«
»Versprochen?«
»Versprochen.«
Mein Handy klingelte erneut, und der Moment war dahin. Mit einem frustrierten Knurren griff ich nach meiner Clutch, um es auszuschalten. Doch diesmal war es Jo.
Ich weiß nicht genau, warum, aber ich bekam ein ganz flaues Gefühl im Magen.
»Tut mir leid«, sagte ich, an Ben gewandt. »Das ist eine Freundin. Ich glaube, ich sollte besser rangehen.«
»Klar.«
»Jo?«, sagte ich, das Handy am Ohr.
»Liv?« Sie klang abgehetzt. »Liv, Nate hat versucht, dich zu erreichen. Es ist was passiert.«
»Was denn?« Von einer Sekunde zur nächsten war ich in heller Panik. »Geht es ihm gut?«
»Er ist … Der Notarzt war da. Sein Vater musste ins Krankenhaus gebracht werden.«
***
Ich musste Ewigkeiten auf das Taxi warten, deswegen dauerte es nach Jos Anruf noch fast eine Stunde, bis ich endlich am Krankenhaus ankam. Die ganze Zeit über flehte und bettelte ich jedes höhere Wesen, das mir einfiel, an, es möge Nathan nicht im Stich
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