Jamaica Lane - Heimliche Liebe
zu sehen bekomme, den du mir vorher nie gezeigt hast. Und auch sonst keinem.«
Tränen stiegen mir in die Augen, und ich spürte einen schmerzhaften Kloß im Hals. »Ich will nicht jemand sein, der in den Spiegel schaut und hasst, was er sieht. Und ich will auch nicht ständig darüber jammern, dass ich mich nicht lange genug mit einem Mann unterhalten kann, um an eine Verabredung zu kommen. So will ich nicht sein, Nate. Ich will so sein wie die anderen. Ich will eine Beziehung haben. Aber es geht einfach nicht. Das ist total erbärmlich, aber immerhin bin ich nicht so erbärmlich, dass ich mich auch noch ständig darüber beklage.«
»Das ist nicht erbärmlich«, widersprach er schroff. Seine Augen blitzten. »Liv, du hast viel durchgemacht. Du kannst nicht erwarten, normal zu sein. Und sowieso: Scheiß auf normal. Normal sein ist langweilig. Und du, Babe, bist alles andere als langweilig.«
Ich lächelte matt, dankbar für seinen Versuch, mich aufzumuntern, auch wenn es nicht wirklich funktioniert hatte.
»Und dieser Typ?«, fuhr Nate in rauem Ton fort. »Dieser Typ aus der Bibliothek. Du magst ihn?«
Ich nickte, dann ließ ich den Kopf in die Hände sinken und stöhnte über meine verfahrene Situation. »Ja, ich mag ihn.«
Nate schwieg, und als mir schien, er würde nichts mehr zu dem Thema sagen, hob ich den Kopf und sah ihn fragend an. Er grinste.
»Was ist?«
»Du hast so gut wie keine Erfahrung, und ich habe jede Menge.«
Missmutig verzog ich den Mund. »Es ist nicht gerade hilfreich, dass du jetzt damit angibst, Nathaniel.«
Er grinste immer noch. »Ich gebe nicht an. Ich helfe dir.«
»Du hilfst mir?«
»Ich helfe dir.«
»Wobei?«
»Dabei, einen Mann ins Bett zu kriegen.«
Meine Wangen glühten noch heißer. »Äh … was?«
Nate schien überaus zufrieden mit sich. Er lehnte sich gegen den Tresen, schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kenne mich mit Sex aus. Du dich nicht. Ich bringe dir alles bei, was du wissen musst.«
Ich spürte ein ganz seltsames Gefühl in mir hochsteigen und wurde rot bis an die Haarwurzeln. »Wie willst du … wie soll das …?«
»Als Erstes arbeiten wir an deinem Selbstbewusstsein. Danach an deinen Flirttechniken. Ich bringe dich dahin, dass du dich sicher genug fühlst, diesen Typen, auf den du stehst, anzusprechen und dich mit ihm zu verabreden.«
Bei dieser Vorstellung begann mein Herz, wie wild zu klopfen. »Ich glaube, dir ist das Ausmaß meiner Unfähigkeit auf dem Gebiet gar nicht klar.«
»Das ist schon mal die falsche Einstellung.« Er schüttelte den Kopf und beugte sich, die Handflächen auf den Tresen gestützt, zu mir, bis unsere Nasenspitzen sich fast berührten. »Ich stehe vielleicht nicht auf Blumen, Herzchen und den ganzen Kram, aber du bist meine Freundin, und ich möchte jemand sein, an den sich Freunde immer wenden können. Freunde sind mir wichtig, Liv. Und gestern Abend hat eine Freundin in meinen Armen geweint und mir gestanden, dass sie unglücklich ist.« Er strich mir liebevoll über die Wange. »Du hast es verdient, glücklich zu sein, Babe. Was kann es schaden, wenn ich dir dabei behilflich bin?«
»Nate«, wisperte ich heiser. Gefühle schnürten meine Kehle zu. Sein Angebot war so verdammt großzügig, dass ich drauf und dran war, in dicke alberne Tränen auszubrechen.
»Wir machen es Schritt für Schritt. Zuerst mal versuchen wir rauszufinden, weshalb du in Gegenwart von Männern, die du attraktiv findest, so gehemmt bist.«
Ich nickte und zuckte prompt zusammen, weil die Bewegung einen scharfen Schmerz in meinem Schädel auslöste. »Aber nicht heute, okay? Könnte nämlich sein, dass ich dich dann vollkotze.«
Er grinste und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. »Sexy. Wie du willst. Aber halt dich bereit.« Er zwinkerte mir zu, als er seine Jacke nahm und sich zum Gehen wandte. »Morgen fängt der Unterricht an.«
Mir schwirrte der Kopf von der unerwarteten Wendung, die unser Gespräch genommen hatte, deshalb war Nate schon fast im Treppenhaus, als mir aufging, dass ich noch gar nicht auf sein Angebot reagiert hatte.
»Nate.«
Die Hand an der Türklinke, blieb er stehen. »Hm?«
Mein Lächeln war etwas matt, aber voller Dankbarkeit. »Danke.«
Grinsend öffnete Nate die Tür. »Für dich tue ich doch alles, Babe.«
***
Auf der Arbeit am folgenden Tag war ich das reinste Nervenbündel, gab jedoch meine Zerstreutheit und Tolpatschigkeit als Nebenwirkungen von Tag zwei
Weitere Kostenlose Bücher