Jamaica Lane - Heimliche Liebe
meines monumentalen Katers aus. Angus hatte ein Einsehen und erlaubte mir, den Großteil des Tages hinten im Büro zu verbringen und Schreibkram zu erledigen. Allerdings bewahrte mich auch das nicht vor einem peinlichen Versehen, und spätestens da war sein Mitgefühl erschöpft. Ich hatte Inhalte in unsere Website eingepflegt, und bei der Beschreibung der neuen Arbeitsnischen war mir ein Tippfehler unterlaufen. Es gab bereits einige mit Rechnern ausgestattete, vom Lesesaal abgetrennte Bereiche im Erdgeschoss, wo größere Studentengruppen gemeinsam an Projekten arbeiten oder Tutorien abhalten konnten. Seit neuestem verfügte die Bibliothek nun auch über einige zusätzliche Räume im ersten Stock, die für kleinere Gruppen gedacht waren. All das wurde in einem kurzen Text auf unserer Webseite erläutert. Daneben gab es auch ein kleines Foto, auf dem einer dieser Räume abgebildet war und dessen Bildunterschrift lautete: maximale Belegung: sechs . Statt »sechs« hatte ich »Sex« geschrieben.
Wir merkten es nur, weil meine junge Kollegin Janey ständig wie zwanghaft die Facebookseite »Gesehen: Unibibliothek Edinburgh« besuchte. Die Seite wurde hauptsächlich von Studenten genutzt, die jemanden in der Bibliothek gesehen hatten und sich nun mit ihm oder ihr verabreden wollten, aber sie enthielt auch unzählige Posts über alle möglichen und unmöglichen Dinge, die Studenten in der Bibliothek angestellt oder erlebt hatten. Genau dort entdeckte Janey nun einen Post über meinen Tippfehler, der bei den Besuchern der Seite bereits für große Heiterkeit gesorgt hatte. Bei meinem Boss Angus hingegen weniger.
Er riet mir, früher Schluss zu machen. Zu Hause kippte ich ungefähr sechs Tassen Tee in mich hinein, weil ich hoffte, auf diese Weise zu der inneren Harmonie zu finden, von der die Briten immer behaupten, dass Tee sie einem schenken könne. Ich hoffte vergebens.
Noch dazu wollte Nate vorbeikommen, um mir meine erste Nachhilfestunde zu geben, und ich hatte die Befürchtung, dass ich ihm das wenige, was ich an diesem Tag gegessen hatte, sofort vor die Füße spucken würde.
Etwa zwanzig Minuten vor der vereinbarten Zeit bekam ich einen Anruf von meinem Dad. Er war gerade bei Dee, und sie wollten mich zum Abendessen einladen.
»Ich würde sehr gerne, Dad, aber es geht nicht. Nate kommt gleich vorbei.«
»Nate kommt ständig vorbei«, erwiderte mein Dad wenig erfreut.
»Nate ist mein Freund.«
»Hm.«
»Dad.«
»Er ist ein Weiberheld.«
»Wir sind bloß befreundet«, beteuerte ich, obwohl meine Haut bei der Aussicht auf das, was möglicherweise heute Abend passieren würde, zu prickeln begann. Was um alles in der Welt würde er mir beibringen? Und wie würde er an die Sache herangehen? Garantiert würde ich vor Scham im Boden versinken. Nate war eine geballte Ladung Sex und Charisma. Wahrscheinlich sagte er gerne versaute Sachen. Nein, er sagte definitiv gerne versaute Sachen. Würde er von mir verlangen, dass ich so mit Männern redete wie er mit Frauen?
Bei dem Gedanken riss ich die Augen so weit auf, dass sie fast aus ihren Höhlen purzelten.
»Liv, bist du noch dran?«
»Ja, Dad.«
»Dee lässt fragen, ob du dann vielleicht am Mittwochabend zum Essen kommen möchtest.«
»Hört sich super an. Ich bin auf jeden Fall dabei.«
»Wie geht’s dir denn heute? Immer noch verkatert? Du warst ja auf der Hochzeit ziemlich hinüber.«
Ich fuhr mir nervös mit den Fingern durch die Haare, während ich mich an den Hochzeitsempfang zu erinnern versuchte. »Habe ich … also … irgendwas Peinliches gesagt?«
Dad lachte. »Nein. Du warst einfach nur lustig, Liebes. Wer hat dich eigentlich nach Hause gebracht? Das hast du gar nicht erwähnt, als ich dir gestern eine SMS geschrieben habe.«
»Das war Nate. Auf ihn kann man sich echt verlassen«, fügte ich in voller Absicht hinzu.
»Wenn du meinst.«
Es läutete, und ich fuhr zusammen. »Ich muss jetzt, Dad. Nate ist da.«
Wir verabschiedeten uns rasch, und ich legte auf, während ich zur Tür lief, um Nate hereinzulassen. Ich stand da und tappte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden, während ich auf ihn wartete. Mein Herz schien im gleichen Rhythmus zu schlagen wie seine Schritte auf der Betontreppe, und als er schließlich in der Wohnungstür auftauchte, stand ich kurz vor der Ohnmacht.
Bei meinem Anblick wich Nate instinktiv einen Schritt zurück. »Mann, du siehst ja aus, als würdest du gleich umkippen.«
Ich schluckte. So laut, dass man es hören
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