James Bond 02 - Leben und sterben lassen (German Edition)
würden. Ich habe gehört, wie er seine Leute dort unten vor Ihnen gewarnt hat. Er führte ein Ferngespräch mit einem Mann, den man den »Robber« nennt. Er trug ihm auf, den Flughafen in Tampa sowie die Züge zu beobachten. Vielleicht sollten wir früher aussteigen, in Tarpon Springs oder an einem der kleineren Bahnhöfe an der Küste. Hat man Sie in den Zug steigen sehen?«
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Bond. Seine Augen waren wieder entspannt. »Was ist mit Ihnen? Hatten Sie Probleme, von dort wegzukommen?«
»Ich hatte heute meine Gesangsstunde. Er will mich zu einer richtigen Sängerin machen. Ich soll für ihn im Boneyard auftreten. Einer seiner Männer brachte mich wie immer zu meiner Lehrerin und sollte mich mittags wieder abholen. Er war nicht überrascht, dass meine Stunde so früh stattfand. Ich frühstücke oft mit meiner Lehrerin, um von Mr Big wegzukommen. Er erwartet von mir, dass ich sämtliche Mahlzeiten mit ihm einnehme.« Sie schaute auf ihre Uhr. Er bemerkte zynisch, dass es sich um ein teures Stück handelte – Diamanten und Platin, schätzte Bond. »Man wird mich in etwa einer Stunde vermissen. Ich habe gewartet, bis das Auto weg war, bin dann sofort wieder nach draußen gegangen und habe Sie angerufen. Danach habe ich ein Taxi nach Downtown genommen und eine Zahnbürste sowie ein paar andere Sachen in der Drogerie gekauft. Ansonsten habe ich nichts bis auf meinen Schmuck und das Geld bei mir, das ich immer vor ihm verstecke. Etwa fünftausend Dollar. Ich werde Ihnen finanziell also nicht zur Last fallen.« Sie lächelte. »Ich dachte mir, dass ich eines Tages meine Chance bekommen würde.« Sie deutete auf das Fenster. »Sie haben mir ein neues Leben geschenkt. Ich war fast ein Jahr lang bei ihm und seinen Gangstern eingesperrt. Das hier ist himmlisch.«
Der Zug fuhr durch die unwirtlichen, kahlen Ebenen und Sumpfgebiete zwischen New York und Trenton. Es war keine schöne Aussicht. Der Anblick erinnerte Bond an einige Streckenabschnitte der Transsibirischen Eisenbahn vor dem Krieg, abgesehen von den riesigen einsamen Reklametafeln, die für die aktuellen Broadwayaufführungen warben, und den gelegentlichen Schrotthalden voller Altmetall und ausrangierter Autos.
»Ich hoffe, Sie finden etwas Besseres«, sagte er lächelnd. »Aber danken Sie mir nicht. Wir sind jetzt quitt. Sie haben mir letzte Nacht das Leben gerettet. Vorausgesetzt«, fügte er mit einem neugierigen Blick hinzu, »Sie können tatsächlich hellsehen.«
»Ja«, erwiderte sie, »das kann ich. Oder zumindest etwas sehr Ähnliches. Ich kann oft sehen, was passieren wird, besonders Dinge, die anderen Menschen widerfahren. Natürlich übertreibe ich damit ein wenig, und als ich mir damit auf Haiti meinen Lebensunterhalt verdiente, war es sehr leicht, daraus einen guten Showauftritt zu machen. Dort dreht sich alles um Voodoo und Aberglauben, und die Leute waren sich ziemlich sicher, dass ich eine Hexe sein müsse. Aber ich schwöre, dass ich sofort wusste, dass Sie geschickt worden waren, um mich zu retten, als ich Sie in Mr Bigs Zimmer sah. Ich«, sie errötete, »ich sah alle möglichen Dinge.«
»Was für Dinge?«
»Oh, ich weiß auch nicht«, sagte sie, und ihre Augen tanzten. »Dinge eben. Nun ja, wir werden sehen. Aber es wird schwierig werden«, fügte sie ernst hinzu, »und gefährlich. Für uns beide.« Sie hielt inne. »Werden Sie also gut auf uns aufpassen?«
»Ich werde mein Bestes tun«, sagte Bond. »Zuallererst brauchen wir beide ein wenig Schlaf. Lassen Sie uns etwas trinken und paar Hähnchensandwiches essen, und dann teilen wir dem Zugbegleiter mit, dass er unsere Betten vorbereiten soll. Sie müssen sich nicht schämen«, versicherte er, als er ihren erschrockenen Blick sah. »Wir sitzen im selben Boot. Wir müssen vierundzwanzig Stunden gemeinsam in einem Doppelzimmer verbringen, und es bringt nichts, sich zimperlich zu verhalten. Außerdem sind Sie Mrs Bryce«, sagte er grinsend. »Und Sie müssen sich einfach nur wie sie benehmen. Zumindest bis zu einem gewissen Punkt«, fügte er hinzu.
Sie lachte, und ihre Augen funkelten unsicher. Sie sagte jedoch nichts, sondern betätigte die Klingel unter dem Fenster.
Der Schaffner traf zur gleichen Zeit ein wie der Zugbegleiter. Bond bestellte Old Fashioneds und verlangte für die Zubereitung ausdrücklich Old Grand-Dad Bourbon. Dazu wollte er Hähnchensandwiches und entkoffeinierten Sanka-Kaffee, damit sie später keine Probleme beim Einschlafen haben
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