James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
tägliche Besprechung stattgefunden? Drei Tote im Zimmer. Wie viele mehr im Rest des Gebäudes? Vielleicht waren Freunde von Tatjana darunter. Er würde diesen Zeitungsartikel von ihr fernhalten müssen. Hatte Darko dabei zugesehen? Von einem Fenster in Walhalla? Bond konnte förmlich hören, wie das laute triumphierende Lachen von den Wänden widerhallte. Zumindest hatte Kerim eine Menge seiner Feinde mit sich in den Tod gerissen.
Nash sah ihn an. »Ja, ich würde sagen, es war eine Gasleitung«, kommentierte er desinteressiert.
Eine Glocke erklang im Gang und kam langsam näher. »
Deuxième service. Deuxième service. Prenez vos places, s’il vous plait
.«
Bond schaute zu Tatjana. Ihr Gesicht war blass. In ihren Augen lag die flehende Bitte, vor der Gesellschaft dieses unbeholfenen Mannes, der ganz und gar nicht
kulturny
war, gerettet zu werden. »Wie wäre es mit Mittagessen?«, fragte Bond. Sie stand sofort auf. »Was ist mit Ihnen, Nash?«
Captain Nash hatte sich bereits erhoben. »Ich habe schon gegessen, danke, alter Knabe. Und ich würde mich gerne mal ein wenig im Zug umsehen. Ist der Schaffner – Sie wissen schon ...?« Er vollführte mit seiner Hand eine Geste, als würde er Geld zwischen den Fingern halten.
»Oh ja, er wird kooperieren«, erwiderte Bond. Er griff nach oben und nahm die schwere kleine Tasche von der Gepäckablage. Dann öffnete er die Tür für Nash. »Bis später.«
Captain Nash trat in den Gang hinaus. »Ja, ich denke schon, alter Knabe«, sagte er. Er wandte sich nach links und marschierte den Gang entlang. Er bewegte sich trotz des Schwankens des Zuges problemlos, hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt, und das Licht, das durch die Fenster fiel, brachte die kleinen goldenen Locken an seinem Hinterkopf zum Leuchten.
Bond folgte Tatjana in die andere Richtung. Die Waggons waren voller Urlauber, die sich auf dem Heimweg befanden. In den Gängen der dritten Klasse saßen die Leute auf ihren Koffern, plauderten und kauten auf Orangen und hart aussehenden Brötchen mit Salami herum. Die Männer betrachteten Tatjana eingehend, als sie sich an ihnen vorbeizwängte. Die Frauen warfen hingegen Bond bewundernde Blicke zu und fragten sich vermutlich, ob er ein guter Liebhaber war.
Im Speisewagen bestellte Bond Americanos und eine Flasche Chianti Broglio. Die wundervollen europäischen Horsd’œuvres wurden serviert. Tatjanas Laune besserte sich langsam.
»Ein seltsamer Mann«, sagte Bond und beobachtete, wie sie sich etwas von den kleinen Delikatessen aussuchte. »Aber ich bin froh, dass er hier ist. So werde ich die Gelegenheit haben, auch mal ein wenig zu schlafen. Wenn wir nach Hause kommen, werde ich eine Woche lang schlafen.«
»Ich mag ihn nicht«, erklärte das Mädchen gleichgültig. »Er ist nicht
kulturny
. Ich traue seinem Blick nicht.«
Bond lachte. »Für dich ist doch nichts und niemand
kulturny
genug.«
»Kanntest du ihn schon vorher?«
»Nein. Aber er gehört zu meiner Firma.«
»Wie war noch mal sein Name?«
»Nash. Norman Nash.«
Sie sprach den Namen nach. »Nash?« Das Mädchen wirkte verwirrt. »Das klingt fast so wie das russische
nasch
? Ich vermute, du weißt, was das heißt.
Nasch
bedeutete ‚unser‘. Bei unserem Geheimdienst wird ein Mann als
nasch
bezeichnet, wenn er einer von ‚unseren‘ ist. Wenn er einer von ‚ihnen‘ ist – also zum Feind gehört –, nennt man ihn
swoi
. Und dieser Mann heißt Nash. Das ist nicht sehr angenehm.«
Bond lachte. »Also wirklich, Tanja. Du denkst dir ziemlich außergewöhnliche Gründe aus, um jemanden nicht zu mögen. Nash ist ein ganz gängiger englischer Name. Er ist vollkommen harmlos. Außerdem ist er hart genug, um seinen Zweck zu erfüllen und uns zu schützen.«
Tatjana verzog das Gesicht und widmete sich wieder ihrem Mittagessen.
Die Tagliatelle verdi und der Wein wurden serviert, gefolgt von einer köstlichen Piccata. »Oh, das ist so gut«, sagte sie. »Seit ich aus Russland gekommen bin, scheine ich nur noch aus Magen zu bestehen.« Ihre Augen weiteten sich. »Du wirst doch aufpassen, dass ich nicht zu dick werde, James, nicht wahr? Du wirst mich nicht so fett werden lassen, dass ich nicht mehr mit dir schlafen kann, oder? Du musst darauf achten, sonst esse und schlafe ich einfach den ganzen Tag lang. Versprichst du, mich zu schlagen, wenn ich zu viel esse?«
»Natürlich werde ich dich dann schlagen.«
Tatjana zog die Nase kraus. Er spürte die sanfte Berührung ihrer Knöchel an
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