James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
errötete zutiefst und nickte, hielt seinem Blick dabei aber gehorsam stand. Die anderen lächelten ermutigend, vielleicht auch ein wenig durchtrieben, aber durchaus zustimmend. In diesem Lächeln lag kein Misstrauen. Keine Verachtung. Die Szene endete mit ein paar Sätzen des Leiters, auf die das Mädchen das russische Äquivalent zu »Ja, Sir« zu sagen schien, sich umdrehte und den Raum verließ. Als sie fort war, sagte der Leiter etwas mit einem ironischen Gesichtsausdruck. Die Männer begannen herzlich zu lachen, und der durchtriebene Zug erschien wieder auf ihren Mienen, als ob das, was er gesagt hatte, eine Obszönität gewesen wäre. Dann machten sie sich wieder an ihre Arbeit.
Die ganze Zeit über, während sie durch den Tunnel zurückgegangen waren und auch später in Kerims Büro, während sie darüber gesprochen hatten, was Bond durch das Periskop hatte sehen können, hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, was dieses Verhalten bedeuten konnte. Und jetzt, während er auf die sterbende Sonne starrte, war er immer noch verwirrt.
Tatjana Romanowa. Eine Romanow. Nun, sie sah tatsächlich wie eine russische Prinzessin aus, oder zumindest wie die traditionelle Vorstellung davon. Der große, schlanke Körper, der sich so anmutig bewegte. Das üppige Haar, das bis zu den Schultern reichte, und die dezente Autorität ihres Profils. Das wunderschöne, so sehr an die junge Garbo erinnernde Gesicht mit seiner seltsam scheuen Heiterkeit. Der Kontrast zwischen der Unschuld ihrer großen tiefblauen Augen und dem leidenschaftlichen Versprechen eines großen Munds. Und wie sie errötet war und wie sich die langen Wimpern über ihre Augen gesenkt hatten. War das die Prüderie einer Jungfrau gewesen? Bond war nicht dieser Meinung. In den stolz herausgestreckten Brüsten und der Art, wie sie beim Gehen ihren Hintern hin- und herbewegte, lag das Selbstbewusstsein, geliebt worden zu sein – der Ausdruck eines Körpers, der wusste, wozu er da sein konnte.
Doch konnte Bond aufgrund eines flüchtigen Blicks daran glauben, dass sie die Sorte Mädchen war, die sich in ein Foto und eine Akte verlieben konnte? Woher sollte man das wissen? Ein solches Mädchen musste eine äußerst romantische Veranlagung haben. In den Augen und dem Mund würden Träume liegen. In diesem Alter, mit vierundzwanzig, würde ihr der sowjetische Apparat diese Gefühle noch nicht ausgetrieben haben. Das Blut der Romanows konnte ihr durchaus ein Verlangen nach einem anderen Typ Mann geschenkt haben als dem modernen russischen Offizier, dem sie bei ihrer Arbeit begegnen würde – ernst, kalt, mechanisch, im Grunde genommen überspannt, und durch die Parteierziehung auch furchtbar langweilig.
Es konnte wahr sein. In ihrem Aussehen hatte nichts gelegen, was ihrer Geschichte widersprechen würde. Und Bond wollte, dass sie stimmte.
Das Telefon klingelte. Es war Kerim. »Nichts Neues?«
»Nein.«
»Dann werde ich Sie um acht abholen.«
»Ich werde bereit sein.«
Bond legte auf und begann, sich langsam anzuziehen.
Kerim war von seinen Abendplänen nicht abzubringen gewesen. Bond wäre lieber im Hotel geblieben, um auf eine erste Kontaktaufnahme zu warten – eine Nachricht, einen Anruf, was immer es sein mochte. Doch Kerim hatte abgelehnt. Das Mädchen hatte darauf bestanden, Zeit und Ort selbst zu bestimmen. Bond sollte sich nicht zum Sklaven ihrer Bequemlichkeit machen. »Das wäre psychologisch gesehen ein Fehler, mein Freund«, hatte Kerim beharrt. »Keine Frau will einen Mann, der angelaufen kommt, wenn sie pfeift. Sie würde Sie verachten, wenn Sie sich zu verfügbar machen würden. Von Ihrem Gesicht und Ihrer Akte her wird sie annehmen, dass Sie sich gleichgültig, wenn nicht sogar unverschämt verhalten. Genau das scheint sie zu wollen. Sie will um Sie werben« – Kerim hatte ihm zugezwinkert – »sich von diesem grausamen Mund einen Kuss erkaufen. Sie hat sich in ein Bild verliebt. Verhalten Sie sich wie dieses Bild. Spielen Sie Ihre Rolle.«
Bond hatte mit den Schultern gezuckt. »Also gut, Darko. Nehmen wir mal an, dass Sie recht haben. Was schlagen Sie vor?«
»Leben Sie Ihr Leben, wie Sie es auch sonst tun würden. Gehen Sie nach Hause, nehmen Sie ein Bad, trinken Sie was. Der regionale Wodka ist ganz in Ordnung, wenn man ihn mit Tonic Water herunterspült. Wenn nichts passiert, werde ich Sie um acht Uhr abholen. Wir werden bei einem Zigeunerfreund von mir zu Abend essen. Ein Mann namens Vavra. Er ist Anführer eines Stamms. Ich
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