James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
Angestellten des Lagerhauses wieder. Er war so dunkel und schmal wie der Bürovorsteher, und auch seine Augen waren blau.
Der Wagen fuhr den Hügel hinunter. Kerim sprach auf Englisch mit dem Chauffeur. »Es ist eine kleine Seitenstraße, die vom Hippodromplatz abgeht. Wenn wir dort ankommen, werden wir vorsichtig weiterfahren. Ich werde dir sagen, wenn du anhalten musst. Hast du die Uniformen und die Ausrüstung?«
»Ja, Kerim Bey.«
»Also gut. Beeile dich. Es wird Zeit, dass wir alle ins Bett kommen.«
Kerim sank auf seinen Sitz zurück und zündete sich eine Zigarette an. Sie rauchten schweigend. Bond blickte auf die düsteren Straßen hinaus, und ihm kam der Gedanke, dass spärliche Beleuchtung ein sicherer Hinweis auf eine arme Stadt war.
Es dauerte eine Weile, bis Kerim wieder sprach. Schließlich sagte er: »Der Zigeuner hat erklärt, dass über uns beiden die Schwingen des Todes schweben. Er hat gesagt, dass ich mich vor einem Sohn des Schnees in Acht nehmen muss und Sie sich vor einem Mann hüten müssen, der dem Mond gehört.« Er lachte herb. »Typisches Zigeunergeschwätz. Aber er hat auch gesagt, dass Krilencu keiner von diesen beiden Männern ist. Das ist gut.«
»Warum?«
»Weil ich erst dann in Ruhe schlafen kann, wenn ich diesen Kerl getötet habe. Ich weiß nicht, ob das, was heute geschehen ist, etwas mit Ihnen und Ihrem Auftrag zu tun hat. Und es ist mir auch egal. Aus irgendeinem Grund wurde mir der Krieg erklärt. Wenn ich Krilencu nicht töte, wird es ihm bei seinem dritten Versuch sicherlich gelingen, mich umzubringen. Darum sind wir jetzt auf unserem Weg, um in Samarra eine Verabredung mit ihm einzuhalten.«
DER MUND VON MARILYN MONROE
Der Wagen raste über die verlassenen Straßen und an düsteren Moscheen vorbei, deren überwältigende Minarette zum Mond aufragten. Sie fuhren unter dem zerstörten Aquädukt hindurch und über den Atatürk-Boulevard nördlich der verriegelten Eingänge des Großen Basars. An der Konstantinsäule bog das Auto dann rechts ab, fuhr durch enge, verschlungene Gassen, die nach Müll stanken, und landete schließlich an einem langen verzierten Platz, auf dem sich drei Steinsäulen in den sternenübersäten Himmel reckten.
»Langsam«, sagte Kerim leise. Sie schlichen im Schatten der Limettenbäume um den Platz. An der östlichen Seite bogen sie in eine Gasse ein, bis sie den Leuchtturm unter dem Topkapi-Palast blinken sahen.
»Halt.«
Der Wagen blieb in der Dunkelheit unter den Limetten stehen. Kerim streckte die Hand nach dem Türgriff aus. »Wir werden nicht lange brauchen, James. Setzen Sie sich solange auf den Fahrersitz, und wenn ein Polizist vorbeikommt, sagen Sie einfach: ‚
Ben Bey Kerim’in ortagiyim
.‘ Können Sie sich das merken? Es bedeutet: ‚Ich bin Kerim Beys Partner.‘ Man wird Sie dann in Ruhe lassen.«
Bond schnaubte. »Na vielen Dank auch. Aber es wird Sie überraschen zu hören, dass ich Sie begleiten werde. Ohne mich werden Sie zwangsläufig in Schwierigkeiten geraten. Und ich werde auf keinen Fall hier herumsitzen und versuchen, Polizisten übers Ohr zu hauen. Das Schlimme daran, nur einen guten Satz zu lernen, besteht darin, dass es so klingt, als beherrsche man die Sprache. Der Polizist wird mit einem türkischen Redeschwall reagieren, und wenn ich darauf nicht antworten kann, riecht er den Braten sowieso. Keine Widerrede, Darko.«
»Nun gut, aber die Sache wird Ihnen nicht gefallen.« Kerims Tonfall klang beschämt. »Es handelt sich um kaltblütigen Mord. In meinem Land weckt man schlafende Hunde nicht, doch wenn sie aufwachen und beißen, erschießt man sie. Man bietet ihnen kein Duell an. In Ordnung?«
»Was immer Sie sagen«, erwiderte Bond. »Ich habe noch eine Kugel übrig, falls Sie danebenschießen.«
»Dann kommen Sie eben mit«, sagte Kerim widerwillig. »Wir müssen noch ein Stück gehen. Die anderen beiden werden eine andere Route nehmen.«
Kerim ließ sich vom Chauffeur einen langen Spazierstock und einen Lederkoffer geben. Er warf beides über seine Schulter und sie gingen die Straße in Richtung Leuchtturm hinunter. Ihre Schritte hallten von den mit Metallrollläden verschlossenen Geschäften wider. Es war keine Menschenseele zu sehen, nicht einmal eine Katze, und Bond war froh, dass er diese lange Straße, die zu dem fernen unheilvollen Auge führte, nicht allein entlanggehen musste.
Von Anfang an hatte Istanbul auf ihn den Eindruck einer Stadt gemacht, in der das Grauen aus den Steinen kroch, sobald
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