James Bond 05 - Liebesgrüße aus Moskau (German Edition)
abgesehen gehabt. Auf eine gewisse Art war es ein langes Duell gewesen, in dem der Mann zwei Mal auf Kerim geschossen hatte. Doch Kerim war der Klügere gewesen und auch derjenige mit mehr Glück, und das war entscheidend gewesen. Aber so kaltblütig hatte Bond noch nie jemanden getötet, und er hatte es auch nicht genossen, jemandem dabei zuzusehen oder dabei zu helfen, es zu tun. Schweigend hatte Kerim seinen Arm ergriffen. Zusammen entfernten sie sich langsam vom Ort des Geschehens, und gingen den Weg zurück, den sie gekommen waren.
Kerim schien Bonds Gedanken zu erahnen. »Das Leben ist voller Tod, mein Freund«, sagte er philosophisch. »Und manchmal wird man zu einem Werkzeug des Todes gemacht. Ich bedauere es nicht, diesen Mann getötet zu haben. Genauso wenig, wie ich es bereuen würde, einen dieser Russen zu töten, die wir heute in ihrem Büro gesehen haben. Das sind harte Menschen. Was man von ihnen nicht durch Stärke bekommt, wird man erst recht nicht durch Barmherzigkeit bekommen. Diese Russen sind alle gleich. Ich wünschte nur, dass Ihre Regierung das auch bemerken und entsprechend bestimmter auftreten würde. Nur eine gelegentliche kleine Lektion in Manieren, so wie ich sie ihnen heute erteilt habe.«
»Was Machtpolitik angeht, hat man nicht oft die Gelegenheit, so schnell und sauber vorzugehen wie Sie heute Abend, Darko. Und vergessen Sie nicht, dass es nur einer ihrer Handlanger war, den Sie bestraft haben, einen der Männer, die sie immer finden, um ihre Drecksarbeit zu erledigen. Was die Russen angeht«, sagte Bond, »stimme ich Ihnen wohlgemerkt zu. Sie verstehen das Zuckerbrot einfach nicht. Nur die Peitsche zeigt Wirkung. Im Grunde genommen sind sie Masochisten. Sie lieben die Knute. Darum waren sie unter Stalin so glücklich. Er gab sie ihnen. Ich bin mir nicht sicher, wie sie auf die Zuckerbrotkrümel reagieren werden, die Chruschtschow und Konsorten ihnen geben. Was England angeht, so besteht das Problem darin, dass es nur noch Zuckerbrot gibt. Im In- wie im Ausland. Wir zeigen niemandem mehr die Zähne – nur das Zahnfleisch.«
Kerim lachte laut, erwiderte aber nichts. Sie gingen durch die stinkende Gasse zurück und hatten keine Luft, um sich zu unterhalten. Am Ende der kleinen Straße ruhten sie sich kurz aus, dann kehrten sie langsam zu den Bäumen des Hippodromplatzes zurück.
»Vergeben Sie mir für heute?« Es war seltsam, in der normalerweise so lauten Stimme dieses großen Manns das Verlangen nach Bestätigung zu hören.
»Ihnen vergeben? Wofür denn? Machen Sie sich nicht lächerlich.« In Bonds Stimme lag Zuneigung. »Sie haben eine Aufgabe, und die erfüllen Sie. Ich bin sehr beeindruckt. Sie haben hier eine wunderbare Organisation. Ich bin derjenige, der sich entschuldigen muss. Ich scheine Ihnen eine ganze Menge Ärger eingebrockt zu haben. Und Sie haben sich darum gekümmert. Ich bin nur mitgekommen. Und bei meinem eigenen Auftrag habe ich keinerlei Fortschritte gemacht. M wird wohl inzwischen ziemlich ungeduldig sein. Vielleicht wartet ja im Hotel eine Nachricht auf mich.«
Aber als Kerim Bond zum Hotel zurückbrachte und mit ihm zum Empfang ging, war immer noch nichts für Bond hinterlegt worden. Kerim klopfte ihm auf den Rücken. »Machen Sie sich keine Sorgen, mein Freund«, sagte er aufmunternd. »Die Hoffnung ist ein gutes Frühstück. Essen Sie reichlich davon. Ich werde morgen früh den Wagen vorbeischicken, und wenn immer noch nichts passiert ist, werde ich mir ein anderes kleines Abenteuer ausdenken, um uns die Zeit zu vertreiben. Reinigen Sie Ihre Pistole und schlafen Sie darauf. Sie beide verdienen etwas Erholung.«
Bond nahm die Treppe, schloss seine Tür auf und verschloss sie hinter sich wieder. Das Mondlicht schien gedämpft durch die Vorhänge ins Zimmer. Er schaltete die rosafarbene Lampe auf dem Frisiertisch an. Dann zog er sich aus, ging ins Badezimmer und stellte sich ein paar Minuten lang unter die Dusche. Dabei sinnierte er darüber, wie viel ereignisreicher Samstag der Vierzehnte als Freitag der Dreizehnte gewesen war. Er putzte sich die Zähne und gurgelte mit einem scharfen Mundwasser, um den Geschmack des Tages loszuwerden. Dann schaltete er das Badezimmerlicht aus und ging ins Schlafzimmer zurück.
Bond zog einen Vorhang beiseite, öffnete die hohen Fenster und blickte auf die große Bumerangkurve des Wassers unter dem hellen Mond hinaus. Die nächtliche Brise fühlte sich auf seinem nackten Körper herrlich kühl an. Er sah auf seine
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