James Bond 06 - Dr. No (German Edition)
würde diese Person auf die Art und Weise reagieren, wie sie Chung behandelt hatten? Wenn sie so skrupellos war, wie Bond annahm, würde das schon ausreichen. Es bewies, dass Bond an etwas dran war. Vielleicht hatte Strangways einen vorläufigen Bericht nach London geschickt, bevor er umgebracht wurde. Vielleicht gab es irgendwo ein Leck. Der Feind würde kein Risiko eingehen. Wenn er schlau war, würde er sich nach dem Zwischenfall mit Chung ohne weitere Verzögerung um Bond und vielleicht auch um Quarrel kümmern.
Bond zündete sich seine erste Zigarette des Tages an – die erste Royal Blend, die er seit fünf Jahren geraucht hatte – und stieß den Rauch genussvoll durch die Zähne aus. So viel zu seiner Feindeinschätzung. Aber wer war dieser Feind?
Nun, es gab nur einen Kandidaten, noch dazu einen äußerst vagen, Doktor No, Doktor Julius No, der deutschchinesische Besitzer von Crab Key, der sein Geld mit Guano verdiente. Im Archiv des Secret Service hatte man nichts über ihn gefunden, und auch eine Anfrage beim FBI hatte kein Ergebnis gebracht. Die Affäre um die Rosalöffler und der Ärger mit der Audubon-Gesellschaft bedeuteten rein gar nichts, außer dass sich, wie M bereits gesagt hatte, ein Haufen alter Weiber über ein paar rosa Störche aufregte. Dennoch waren wegen dieser Störche vier Leute ums Leben gekommen, und was Bond besonders bemerkenswert fand, war die Tatsache, dass Quarrel vor Doktor No und seiner Insel Angst hatte. Das war tatsächlich höchst seltsam. Kaiman-Insulaner waren nicht leicht zu verängstigen, und Quarrel schon gar nicht. Und warum war dieser Mann so manisch auf seine Privatsphäre bedacht? Warum machte er sich so große Umstände, um die Leute von seiner Guanoinsel fernzuhalten? Guano – Vogelmist. Wer wollte das Zeug? Wie wertvoll war es? Bond sollte um zehn Uhr morgens den Gouverneur anrufen. Danach würde er versuchen, jemanden im Kolonialministerium zu erwischen und alles über dieses verdammte Zeug, Crab Key und, wenn möglich, auch über Doktor No herauszufinden.
Es klopfte zwei Mal an der Tür. Es war Quarrel. Auf seiner linken Wange prangte ein Kreuz aus zwei Pflastern, das ihn ein wenig wie einen Piraten wirken ließ. »Morgen, Cap’n. Sie haben halb neun gesagt.«
»Ja, kommen Sie rein, Quarrel. Wir haben einen anstrengenden Tag vor uns. Haben Sie schon gefrühstückt?«
»Ja, danke, Cap’n. Ackee mit Saltfish und ein Schlückchen Rum.«
»Du meine Güte«, sagte Bond. »Ein ganz schön schwerer Start in den Tag.«
»Ist sehr erfrischend«, erwiderte Quarrel stur.
Sie setzten sich auf den Balkon. Bond bot Quarrel eine Zigarette an und nahm selbst ebenfalls eine. »Also dann«, begann er. »Ich werde den Großteil des Tages im King’s House und vielleicht im Jamaika-Institut verbringen. Also werde ich Sie erst wieder morgen Abend brauchen, aber es gibt ein paar Dinge, die Sie für mich in der Stadt erledigen könnten. Einverstanden?«
»Okay, Cap’n. Sagen Sie einfach, was Sie wollen.«
»Zuerst mal ist der Wagen, den wir haben, zu auffällig. Wir müssen ihn loswerden. Gehen Sie bitte zu Motta’s oder zu einem der anderen Verleiher und suchen Sie den neuesten und besten Kleinwagen aus, den Sie finden können. Mieten Sie ihn für einen Monat. Verstanden? Dann sehen Sie sich mal am Hafen um und machen zwei Männer ausfindig, die uns so ähnlich wie möglich sehen. Einer von beiden muss Autofahren können. Kaufen Sie ihnen Kleidung, die unserer ähnelt, zumindest obenherum. Und Hüte, wie wir sie tragen. Sagen Sie ihnen, wir wollen, dass sie morgen früh ein Auto nach Montego bringen – über Spanish Town und die Ocho Rios Road. Sie sollen es in Levys Werkstatt abgeben. Rufen Sie Levy an und sagen Sie ihm, er soll den Wagen erwarten und für uns aufbewahren. Verstanden?«
Quarrel grinste ihn an. »Sie wollen jemanden reinlegen?«
»Genau. Jeder von ihnen bekommt zehn Pfund. Sagen Sie ihnen, dass ich ein reicher Amerikaner bin, der seinen Wagen von zwei respektablen Männern nach Montego Bay überführen lassen will. Stellen Sie mich ruhig ein wenig exzentrisch dar. Sie müssen morgen früh um sechs hier sein. Und besorgen Sie bis dahin den anderen Wagen. Sorgen Sie dafür, dass sie aussehen wie wir und schicken Sie sie dann im Sunbeam mit offenem Verdeck los. Alles klar?«
»Sicher, Cap’n.«
»Was ist eigentlich mit diesem Haus an der Nordküste, das wir letztes Mal hatten – Beau Desert in Morgan’s Harbour? Wissen Sie, ob es gerade zu mieten
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