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James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

James Bond 06 - Dr. No (German Edition)

Titel: James Bond 06 - Dr. No (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Fleming
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der Dunkelheit bildeten sich langsam Brandblasen auf seiner Haut, und die wunden Schultern und Füße versteiften sich. Der Schweiß trocknete erst am Körper, dann an den Kleidungsfetzen, und die kühle Luft drang in die überhitze Lunge ein und tat ihr heimtückisches Werk. Doch das Herz in der gequälten Hülle schlug stark und regelmäßig weiter, und die heilende Wirkung des Sauerstoffs und der Ruhe pumpten das Leben zurück in die Arterien und Venen und luden die Nervenzellen wieder auf.
    Jahre später erwachte Bond. Sein Körper zuckte. Als sich seine Augen öffneten und in das andere Paar blickten, das sich nur wenige Zentimeter entfernt hinter der Glasscheibe der Luke befand, erfasste ihn der Schmerz mit voller Wucht. Er wartete darauf, dass der Schock nachließ. Er versuchte es wieder und wieder, bis er die Stärke seines Gegners eingeschätzt hatte. Dann drehte sich Bond auf den Bauch, um sein Gesicht vor dem Beobachter zu verbergen, und ertrug die volle Ladung. Wieder wartete er, erforschte die Reaktionen seines Körpers, prüfte die Stärke der Entschlossenheit, die ihm noch geblieben war. Wie viel konnte er jetzt noch ertragen? Bond verzog das Gesicht und knurrte in die Dunkelheit hinein. Es war der Laut eines Tieres. Er hatte das Ende seiner menschlichen Reaktionen auf Schmerz und Elend erreicht. Doktor No hatte ihn in die Ecke gedrängt. Doch er hatte noch einen Vorrat an tierischer Verzweiflung in sich, und bei einem starken Tier sind diese Vorräte fast unerschöpflich.
    Langsam und unter schrecklichen Qualen kroch Bond ein paar Meter von den Augen weg, suchte dann nach seinem Feuerzeug und zündete es an. Vor ihm lag nur der schwarze Vollmond, das klaffende runde Maul, das in den Bauch der Dunkelheit führte. Bond steckte das Feuerzeug wieder weg. Er holte tief Luft und rappelte sich auf Arme und Knie auf. Der Schmerz war nicht größer, nur anders. Langsam und steif kämpfte er sich vorwärts.
    Der Baumwollstoff an Bonds Knien und Ellbogen war weggebrannt. Wie betäubt nahm sein Geist die Feuchtigkeit wahr, als seine Brandblasen an dem kalten Metall aufplatzten. Während er sich bewegte, streckte er seine Finger und Zehen, um herauszufinden, wie groß der Schmerz war. Langsam bekam er ein Gefühl dafür, was er tun konnte und was am meisten wehtat. Dieser Schmerz ist erträglich, erklärte er sich selbst. Wenn ich bei einem Flugzeugabsturz dabei gewesen wäre, würden die Ärzte lediglich oberflächliche Prellungen und Verbrennungen diagnostizieren. Ich könnte das Krankenhaus schon nach ein paar Tagen wieder verlassen. Mir fehlt absolut nichts. Ich habe einen Flugzeugabsturz überlebt. Es tut weh, aber das ist nichts. Denk nur an die zerfetzten Einzelteile der anderen Passagiere. Sei dankbar. Verdräng den Schmerz aus deinen Gedanken. Doch hinter diesen Überlegungen lag die quälende Gewissheit, dass dieser Absturz noch nicht stattgefunden hatte – dass er sich immer noch auf dem Weg dorthin befand, während seine Widerstandskraft und Leistungsfähigkeit nachließen. Wann würde es passieren? In welcher Form würde es sich ereignen? Wie sehr sollte er noch weichgeklopft werden, bevor er den Richtplatz erreichte?
    Die winzigen roten Punkte in der Dunkelheit vor ihm mochten eine Halluzination sein, Lichtpunkte vor seinen Augen, die auf die Erschöpfung zurückzuführen waren. Bond hielt inne und kniff die Augen zusammen. Er schüttelte den Kopf. Nein, sie waren immer noch da. Langsam kroch er näher. Jetzt bewegten sie sich. Bond verharrte wieder und lauschte. Über dem leisen Pochen seines Herzens vernahm er ein leises Rascheln. Die roten Punkte hatten sich vermehrt. Nun waren dort zwanzig oder dreißig von ihnen, die sich in dem dunklen Kreis vor ihm hin und her bewegten, manche schnell, andere langsam. Bond griff nach seinem Feuerzeug. Er hielt die Luft an, als er die kleine gelbe Flamme entzündete. Die roten Punkte verschwanden. Stattdessen versperrte einen knappen Meter vor ihm sehr feiner Maschendraht, fast so fein wie Musselin, den Schacht.
    Bond kroch ein Stück darauf zu und hielt das Feuerzeug dabei vor sich. Es handelte sich um eine Art Käfig mit kleinen Lebewesen darin. Er konnte hören, wie sie davonhuschten, um sich vor dem Licht zu verstecken. Als er nur noch dreißig Zentimeter von dem Maschendraht entfernt war, löschte er das Licht und wartete darauf, dass sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Während er wartete, lauschte er. Er konnte hören, wie die winzigen Wesen

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