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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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er hinzu,«konnte es nicht wieder Wirklichkeit werden lassen!»
    Agatha sah ihn einen Augenblick lang schweigend an, und erneut fiel ihr auf, wie stattlich und liebenswürdig er war; dann stieß sie einen Seufzer aus ob des wundersamen Mysteriums der Dinge und wandte sich bedrückt zum Gehen.
    An jenem Abend sagte Diana zu ihr:«Ich weiß, dass du ihn gesehen hast!»
    Agatha trat zu ihr und küsste sie.
    « Bedeute ich ihm nichts mehr?»
    « Mein Herzblatt…», murmelte Agatha.
    Diana hatte das kleine Fläschchen mit der goldfarbenen Flüssigkeit ausgetrunken; danach hörte sie auf, im Palast umherzuwandern, ja sie verließ ihr Zimmer überhaupt nicht mehr. Der alte Arzt war nun ständig bei ihr, und er erklärte weiterhin, die Luft in Rom sei sehr gut gegen ihr Leiden. Agatha stand in hilflosem Kummer
dabei; sie sah ihre Freundin schwächer werden und dahinschwinden, und dennoch war sie nicht imstande, sie zu trösten. Einmal versuchte sie es, indem sie recht unschöne Dinge über Mr Longstaff sagte und darauf verwies, dass er nicht ehrenhaft gehandelt habe; dabei sah sie sich allerdings gezwungen, gehörig zu heucheln, denn bei jener letzten Begegnung im Petersdom hatte das arme Mädchen festgestellt, dass sie ihn noch genauso bewunderte wie einst – dass die schüchterne kleine Flamme, die in Nizza zu züngeln begonnen hatte, im Begriff war, erneut aufzulodern. Agatha sah allein sein gutes Aussehen und sein liebenswürdiges Auftreten.
    « Was wollte er eigentlich – was hatte er vor?», murmelte sie, über Dianas Sofa gebeugt.«Warum hätte ihn das, was du gesagt hast, kränken sollen? Es wäre Teil des Handels gewesen, dass er nicht gesund wird. Wollte er dich hintergehen – dich unter Vortäuschung falscher Tatsachen zu seiner Frau machen? Warum sollte er es dir übelnehmen, wenn du den Finger auf den wunden Punkt legst? Nein, es war nicht ehrenhaft von ihm.»
    Diana lächelte traurig; sie kannte nun keine falsche Scham mehr und sprach über die Sache, als beträfe sie jemand anders.«Er hätte darauf
vertraut, dass ich ihm vergebe!», sagte sie. Danach begann sie rasch schwächer zu werden. Sie rief ihre Freundin zu sich und sagte schlicht:« Schick nach ihm!»Als Agatha sie verwirrt und beunruhigt ansah, fügte sie hinzu:«Ich weiß, dass er noch in Rom ist.»
    Agatha war im ersten Augenblick ratlos, sie wusste nicht, wo sie ihn suchen sollte, doch zu den Vorteilen der päpstlichen Verwaltung zählte der Umstand, dass die päpstliche Polizei einem helfen konnte, jeden Besucher der Ewigen Stadt unverzüglich ausfindig zu machen. Mr Longstaffs Pass war bei der Verwaltung hinterlegt, und aufgrund dieses Dokuments erhielt der Diener, den Agatha ausgeschickt hatte, um bei den Behörden Erkundigungen einzuziehen, die erforderlichen Auskünfte. Er kam mit der Nachricht zurück, er habe mit dem vornehmen Fremden gesprochen, der den Damen zu der von ihnen vorgeschlagenen Stunde seine Aufwartung machen werde. Als diese Stunde gekommen war und Mr Longstaff gemeldet wurde, forderte Diana ihre Gefährtin auf, bei ihr zu bleiben. Es war ein Nachmittag im Frühling; die hohen Fenster zum alten Garten standen offen, und der Raum war mit prachtvollen Gebinden und Sträußen aus dem reichen Angebot römischer
Blumen geschmückt. Diana saß in einem tiefen Lehnsessel.
    Es war zweifellos eine schwierige Situation für Reginald Longstaff. Er blieb an der Schwelle stehen und sah eine Weile die Frau an, der er seinen ungewöhnlichen Antrag gemacht hatte; dann schritt er, bleich und aufgewühlt, rasch auf sie zu. Er war offensichtlich bestürzt über den Zustand, in dem er sie vorfand; er ergriff ihre Hand, beugte sich darüber und führte sie an seine Lippen.
    Diana sah ihn kurz an und lächelte ein wenig.« Jetzt bin ich es, die im Sterben liegt», sagte sie.
    « Und jetzt möchte ich Sie um etwas bitten – um das bitten, worum Sie mich damals gebeten haben.»
    Er starrte sie überrascht an, und eine tiefe Röte stieg ihm ins Gesicht. Er zögerte sichtlich. Dann neigte er zustimmend den Kopf und küsste erneut ihre Hand.
    « Kommen Sie morgen wieder», sagte sie,«das ist alles, worum ich Sie bitte.»
    Wieder sah er sie eine Weile schweigend an; dann wandte er sich abrupt ab und ging. Sie schickte nach dem englischen Geistlichen und teilte ihm mit, sie liege im Sterben und wünsche, dass die kirchliche Trauung an ihrem Lager stattfinde.
Der Geistliche sah sie ebenfalls sehr überrascht an, doch willigte er ein, sich einer so

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