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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benvolio
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besser wird, wenn man sie gut macht, hatte er die beste Frau genommen, die er überhaupt finden konnte. Er war entzückt von –«von dieser jungen Dame?», mögen Sie fragen. Keineswegs. Von sich selbst. So sind die Männer! Ihre Tugenden sind gefährlicher als ihre Laster, und der Himmel schütze Sie, wenn sie es sich in den Kopf gesetzt haben, ein Versprechen zu halten! Sie werden feststellen, dass es nie ein Versprechen ist, das Ihnen gegeben wurde. Ein Mann ist bereit, eine Frau zu opfern, um zu leben, wie es sich für einen Gentleman gehört, und verlangt dann von Ihnen, Mitleid zu haben – mit ihm ! Und ich spreche hier nicht von den schlechten Männern, sondern von den guten. Sie sind letzten Endes die schlimmsten. Wie ich schon sagte, kümmerte Ambrose Tester sich nicht um solche Details, doch intuitiv, wie er möglicherweise war, wusste er, dass seine Haltung falsch war. Er spürte, dass er sie früher oder später, eher früher als später, würde korrigieren müssen – ein Vorgang, der unmöglich angenehm sein konnte. Er würde sich entscheiden müssen, ob ihm etwas an seiner Frau lag oder nicht. Was würde Lady Vandeleur sagen, wenn er sich für Ersteres, und was die kleine Joscelind, wenn er sich für Letzteres
entschied? Das hat man davon, wenn man einen hartnäckigen Vater hat und ein gehorsamer Sohn sein möchte. Bei mir konnte Ambrose Tester leicht unbekümmert sein, denn hatte ich, wie gesagt, auch nicht an seiner Verlobung mitwirken wollen, so wollte ich doch nicht, dass er sich wieder entlobte, und ich bestand nicht darauf. Ich befürchtete, Lady Vandeleur könne darauf bestehen; mit ihr zusammen zu sein war natürlich äußerst schwierig; mehr noch als Miss Bernardstone musste sie ihn spüren lassen, dass seine Haltung falsch war. Ich muss hinzufügen, dass er mir gegenüber einmal erwähnte, sie habe ihm nahegelegt zu heiraten. Jedenfalls ist es eine großartige Sache, ein netter Bursche zu sein. Unser junger Bursche war so nett zu jedermann, dass natürlich auch seine Verlobte nicht zu kurz kam. Ebenso wenig Lady Emily, die voller Hoffnungen war, was sie rosiger aussehen ließ denn je; sie erzählte mir, er habe sogar ihr Blumen geschickt. Eines Tages ritt ich frühmorgens im Park aus; die Row 9 war noch fast leer. Nach einer Weile sah ich eine Dame und einen Herrn vor mir, die eng nebeneinander im Schritt ritten. Ich erkannte die Dame sofort, zuvor aber war mir bereits aufgefallen, dass es nichts Liebevolleres hätte geben können als die Art und Weise,
wie Ambrose Tester sich zu seiner künftigen Frau hinüberbeugte. Wenn er auf mich in jenem Moment einen verliebten Eindruck machte, so musste sie diesen Eindruck natürlich auch haben. Doch heute reiten sie nicht mehr so.

IV
    Gegen Ende Juni suchte er mich eines Tages auf, als ich gerade zwei oder drei andere Besucher hatte; Sie wissen ja, selbst zu dieser Jahreszeit bin ich fast immer von sechs bis sieben zu Hause. Er befand sich noch keine drei Minuten im Raum, als mir auch schon auffiel, dass er anders war – anders als beim letzten Mal, und ich vermutete, dass etwas passiert war, was mit seiner Heirat zu tun hatte. Meine Besucher bemerkten leider nichts, und sie blieben so lange, dass ich schon befürchtete, er müsste gehen, ohne mir den Grund zu nennen, dessentwegen er, da war ich mir ganz sicher, eigentlich gekommen war. Doch er blieb sitzen, bis sie gingen; ich glaube, sie fanden ihn ausnahmsweise einmal nicht sehr liebenswürdig. Als wir allein waren, schimpfte er ein wenig auf sie und sagte dann:«Haben Sie es schon gehört? Vandeleur ist sehr krank. Sie
ist schrecklich besorgt.»Ich hatte es noch nicht gehört und sagte ihm das. Ich stellte ihm ein, zwei Fragen, hielt dann aber mit meinen Erkundigungen abrupt inne; es hatte mir beinahe den Atem verschlagen, denn mir war etwas sehr Befremdliches aufgefallen. Die Art, wie er mich ansah, als er mir seine Neuigkeiten mitteilte, glich einem umfassenden Geständnis – einem so umfassenden Geständnis, dass ich einen Augenblick brauchte, um es zu begreifen. Er war nicht so stark, dass er gegen Überraschungen gefeit gewesen wäre – nicht so stark, dass er nicht angesichts von etwas Unerwartetem im ersten Moment nach ein wenig Hilfe Ausschau gehalten hätte. Ich wage es Hilfe zu nennen, weswegen er an jenem Sommernachmittag zu mir gekommen war. Es geht immer um Hilfe, wenn eine Frau, die nicht dumm ist, einem aus dem seelischen Gleichgewicht gebrachten Mann gestattet, ihre Zeit in

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