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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sollen.«
    Niemand hielt etwas dagegen.
    »Jamey hat mich immer fasziniert«, erklärte Jennifer. »Er war so eingeigelt in sich selbst, scheinbar unabhängig von anderen, und dabei im tiefsten Innern doch ganz unglücklich. Die wenigen Male, die ich mit ihm zu sprechen versuchte, wies er mich ab, manchmal sehr schroff. Zuerst fühlte ich mich verletzt, dann aber war das Gefühl, ihn verstehen zu wollen, stärker. Ich schaute mir psychologische Arbeiten über abweichendes Verhalten an, suchte etwas, das auf Jamey passte. Schizophrenie schien dem Ganzen am nächsten zu kommen. Schizoide sind unfähig, Beziehungen aufzubauen, ohne dass sie das stört. Sie sind menschliche Inseln. Zu Beginn der Psychoanalyse hielt man sie für Schizophrene im Frühstadium, und obwohl spätere Forschungen ergaben, dass die meisten von ihnen keine Psychosen bekommen, betrachtet man sie immer noch als gefährdet.« Sie schwieg verlegen. »Ihnen brauche ich das alles ja nicht zu erzählen.«
    »Bitte fahr fort.«
    Sie zögerte.
    »Bitte, Jennifer.«
    »Gut, also beobachtete ich ihn, suchte nach Anzeichen einer Psychose, ohne jedoch damit zu rechnen, dass ich sie finden würde. Deswegen war ich ziemlich schockiert, als er dann wirklich solche Symptome zeigte.«
    »Wann geschah das?«
    »Einige Monate, bevor Dr. Flowers ihn aufforderte, das Projekt zu verlassen. Eine Zeit lang erschien er mir noch verschlossener als sonst - und ich hatte inzwischen gelernt, dass dies krankhaft sein kann -, aber etwas wirklich Anomales tat er erst drei oder vier Monate, bevor er ging. Es war an einem Dienstag. Ich weiß das deshalb so genau, weil der Dienstag mein freier Tag war. Ich saß im Leseraum und arbeitete dort. Ich war allein, es war später Nachmittag. Jamey kam herein, ging in eine Ecke, drehte das Gesicht zur Wand und begann, vor sich hin zu murmeln. Das Murmeln wurde lauter. Er sprach mit jemandem, der gar nicht da war, und daran erkannte ich, dass er krank war.«
    »Weißt du noch, was er sagte?«
    »Er war sehr böse auf diese imaginäre Person und beschuldigte sie, ihn zu verletzen, blutige Federn in die Gegend zu streuen. Er wiederholte dieses Wort mehrmals. Federn. Er verwendete auch das Wort Gestank, immer wieder, er gebrauchte es als Eigennamen, sein unsichtbarer Gesprächspartner war, wie er sagte, voll Gestank, die Erde auch. Ich fand es faszinierend, und am liebsten wäre ich dageblieben und hätte ihm weiter zugehört. Aber ich bekam Angst, und so lief ich weg. Er merkte es gar nicht. Er hatte, glaube ich, gar nicht gesehen, dass ich überhaupt da war.«
    »Kam in seinen wirren Reden irgendetwas über Zombies oder einen gläsernen Canyon vor?«
    Sie trommelte mit den Fingern auf ihren Knien und dachte nach. »Gläserner Canyon, das kommt mir bekannt vor.« Wieder dachte sie nach. »Ja, ich habe es gehört. Und ich sagte mir, dass es sich eigentlich mehr nach Gedicht als nach Wahnvorstellung anhört. Sehr archaisch irgendwie. Vielleicht habe ich es deswegen nicht gleich registriert. Aber woher wissen Sie davon, Alex?«
    »Er rief mich in der Nacht, in der er aus der Klinik floh, an. Er hatte offensichtlich Wahnvorstellungen und redete von einem gläsernen Canyon, aus dem er entkommen musste. Am nächsten Tag besuchte ich ihn im Gefängnis, und er sagte mehrmals das Wort Glas.«
    »Wie ging es ihm?«, fragte Josh.
    »Nicht sehr gut«, antwortete ich.
    »Aber offensichtlich gibt es ja in seinen Wahnvorstellungen so was wie thematische Kontinuität«, sagte Jennifer.
    »In geringem Maße schon.«
    »Wäre das nicht ein Zeichen dafür, dass seine Halluzinationen mit einem bestimmten Ereignis in Zusammenhang stehen, das bei ihm eine Krise auslöste?«
    Nach Meinung von Dr. med. Mainwaring nicht.
    »Es könnte sein«, sagte ich. »Weiß einer von euch vielleicht, ob Jamey irgendetwas erlebt hat, das mit Federn oder Gestank zu tun hat?« Keine Reaktion.
    »Was ist mit Zombies oder gläsernen Canyons?«
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Ich habe oft gesehen«, sagte schließlich Felicia, »wie er zu sich selbst sprach, aber ich war nie nahe genug dran, um zu hören, was er sagte. Ich hatte Angst vor ihm, und immer wenn ich ihn kommen sah, ging ich weg. Einmal hat er auch geweint.« Sie hielt ihre Arme vor dem Oberkörper verschränkt und starrte wieder zu Boden.
    »Habt ihr je Dr. Flowers davon erzählt?«, fragte ich.
    »Nicht direkt«, antwortete Jennifer. »Darüber ärgere ich mich ja gerade. Ich hätte es tun müssen. Aber zwei Tage nach

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