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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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dieser Sache kam er mir wieder viel normaler vor. Er begrüßte mich sogar. Da dachte ich, dass es eine einmalige Sache war, vielleicht die Folge von Drogen. Ein paar Tage später ging es dann erneut los - er hatte wieder Wahnvorstellungen und wurde so nervös. Ich ging sofort zu Saritas Büro, aber sie war auf Reisen. Ich wusste nicht, wen ich hätte anrufen sollen, ich wollte Jamey auch keine Schwierigkeiten machen, so wartete ich, bis das Wochenende rum war, und sagte es Sarita. Sie bedankte sich und sagte, sie hätte schon gemerkt, dass er Probleme habe, und ich solle mich von ihm fern halten. Ich wollte mit ihr noch länger darüber reden, aber sie schickte mich weg. Ich fand das gefühllos von ihr. Aber später wurde mir klar, dass sie sich wegen ihrer Schweigepflicht so verhalten hatte.«
    »Ich wollte es ihr auch erzählen, aber ich hatte Angst«, sagte Felicia. »Ich dachte, er würde mir etwas antun, wenn er herausfände, dass ich es ihr gesagt hatte.«
    »Ich habe ihn auch mit sich selber sprechen sehen«, sagte Josh. »Mehrfach. Ich wusste, dass da etwas nicht stimmt, aber er hatte schon genug Schwierigkeiten, weil er nicht in die Vorlesungen ging, und ich wollte seine Lage nicht noch verschlimmern.« Er schwieg und sah weg. »Ich weiß, es klingt wie eine billige Entschuldigung, aber ich habe wirklich aus diesem Grund nichts gesagt.«
    »Was mich betrifft«, sagte David, »so habe ich nie Derartiges gesehen. Mir graute vor ihm, deshalb tat ich alles, um ihm aus dem Weg zu gehen. Mir fiel erst etwas auf, als er in der Gruppe ausflippte.«
    »Das war schrecklich«, sagte Jennifer, und die anderen nickten zustimmend. »Die Art, wie er schrie und rot anlief, dieser Blick in seinen Augen - wir hätten es nicht so weit kommen lassen dürfen.«
    Die Atmosphäre verdüsterte sich zusehends. Ich wählte meine Worte sorgfältig, denn ich war mir bewusst, dass ich auf ihren Verstand und ihre Gefühle Rücksicht nehmen musste, wenn ich zu einem Ergebnis kommen wollte.
    »So gut wie alle Leute, mit denen ich über diesen Fall spreche, fühlen sich irgendwie schuldig, allerdings zu Unrecht. Ein Mensch verfällt in Wahnsinn, und niemand weiß, warum. Für die Wissenschaft ist diese Krankheit immer noch ein riesiges schwarzes Loch, nichts macht Menschen hilfloser als ein tragisches Geschehen, das sie sich nicht erklären können. Wir alle möchten gerne unser Leben unter Kontrolle haben, und wenn sich Dinge ereignen, die uns unserer Sicherheit berauben, suchen wir nach Antworten, nach einem Sinn und bestrafen uns mit allen möglichen Hätte-ich-dochs. Nichts von dem, was ihr getan oder unterlassen habt, ist die Ursache für Jameys Wahn. Es ist auch ganz gleich, ob ihr es Dr. Flowers erzählt habt oder nicht, Schizophrenie entwickelt sich unabhängig von all dem.« Ich wiederholte im Grunde das, was ich Heather Cadmus am Vortage gesagt hatte, um sie zu beruhigen.
    Sie hörten mir zu und verarbeiteten, was ich gesagt hatte. Wenn dies jemandem gelingen konnte, dann diesen vier hochintelligenten Jugendlichen.
    »Ja, das leuchtet mir ein«, sagte David.
    »Ich verstehe, was Sie sagen, aber ich fühle mich genauso elend wie vorher«, sagte Felicia. »Es dauert wahrscheinlich eine Weile, bis man solche Informationen auch emotional verarbeitet.«
    »Können wir noch über anderes reden?«, fragte Jennifer und betrachtete ihre Fingernägel.
    Niemand widersprach ihr, und so erteilte ich ihr das Wort.
    »Schon seit einiger Zeit geht mir das nach«, begann Jennifer. »Nach seiner Festnahme ging ich in die Bibliothek und las alles, was ich über Massenmörder finden konnte. Es gibt erstaunlicherweise nur sehr wenig Literatur dazu, aber alles, was ich fand, wies darauf hin, dass diese Art Morde von Sadisten begangen werde und nicht von Schizophrenen. Ich weiß, dass manche Spezialisten der Meinung sind, dass Soziopathen nichts anderes sind als schlecht verkleidete Verrückte - Cleckley redet in diesem Zusammenhang von einer Maske, die Gesundheit vortäuscht -, aber sie werden doch nicht wirklich wahnsinnig, oder?«
    »Im Allgemeinen nicht.«
    »Also passt es doch überhaupt nicht ins Bild.«
    »Vielleicht beging er die Morde, bevor er ganz in Wahn verfiel«, mutmaßte Josh.
    »Das kann nicht sein«, antwortete Jennifer. »Die ersten Morde geschahen ein halbes Jahr, nachdem Jamey das Projekt verlassen hatte. Damals war er schon sehr krank. Die beiden letzten wurden verübt, nachdem er aus der Klinik ausgebrochen war. Natürlich kann

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