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Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Jamey. Das Kind, das zuviel wußte

Titel: Jamey. Das Kind, das zuviel wußte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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unserem Fall einiges ereignet. Ich bemühe mich, den Verhandlungstermin aufzuschieben mit der Begründung, dass mein Mandant nicht vernehmungsfähig ist. Die Ereignisse von heute Morgen beweisen, dass das Gefängnis nicht in der Lage ist, die Sicherheit des Jungen zu garantieren. Ich bin daher ziemlich sicher, dass es keine Probleme geben wird, ihn in einer Heilanstalt unterzubringen.«
    »Obwohl es sich um einen so spektakulären Fall handelt?«
    »Zu unserem Glück passieren in dieser Stadt viele blutige Verbrechen, die Geschichte ist schon wieder aus den Schlagzeilen raus. Gestern war in der Times nur noch ein kleiner Artikel auf Seite siebenundzwanzig. Heute stand gar nichts drin. Natürlich wird die Sache durch den Selbstmordversuch hochgekocht, aber dann wird wieder eine Ruheperiode eintreten, weil die Mediengeier inzwischen neues Aas entdeckt haben.«
    Rosa brachte die Suppe, Eiswasser und mein Bier. Ich war ins Schwitzen gekommen, weil es in dem Café so heiß war, und das kalte Bier ließ deshalb meine Zunge fast erstarren. Souza schlürfte die dampfend heiße Suppe ohne Anzeichen von Unbehagen.
    »Die Frage ist, Doktor, ob Sie mir bei dieser Strategie auch wirklich helfen wollen.«
    »Ich bin mit der Auswertung der Fakten noch nicht fertig …«
    »Ja, ja, ich weiß, Ihre Sorgfalt ist bewundernswert. Aber haben Sie schon angefangen, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob Jamey zurechnungsfähig ist oder nicht?«
    »Ich möchte erst in Ruhe alles auswerten, bevor ich mir eine Meinung bilde.«
    »Hmm.«
    Er wandte sich wieder seiner Suppe zu, schlürfte und schmatzte, bis sein Teller leer war. Den letzten Rest wischte er mit einem Stück Fladenbrot auf.
    Das Hauptgericht wurde auf schwerem weißen Porzellan serviert, ein Teller für mich und mehrere Platten für Souza.
    »Guten Appetit, Doktor.« Und schon fing er eifrig an zu essen.
    Wir aßen schweigend, die Leute um uns herum waren fröhlich. Der Salat war ausgezeichnet, die Fleischstreifen waren zart und pikant, das Gemüse knackig, die Soße war mit Olivenöl, Zitrone und Pfeffer zubereitet. Ich schwitzte durch die Gewürze und die Wärme noch mehr, mir klebte das Hemd am Körper. Souza aß einen Riesenberg gebackener Bohnen, danach sein Hühner- und Schweineragout, dazu trank er Mengen von Wasser. Rosa schenkte ihm ständig nach.
    Als nur noch ein paar Reiskörner übrig waren, schob er den Teller beiseite. Dann brachte Rosa kandierte Kaktusstückchen. Ich probierte eines, fand aber, dass es zu sehr nach Gummi schmeckte. Souza biss auf einem anderen herum und lutschte daran, bis kein Zucker mehr darauf war. Dann wischte er sich den Mund ab und sah mir in die Augen.
    »Sie wissen also überhaupt noch nicht, zu welchem Ergebnis Sie kommen werden.«
    »Nein, ich weiß es noch nicht genau. Beide Male, an denen ich ihn sah, erschien er mir nicht zurechnungsfähig, aber seine Krankengeschichte weist seltsame Schwankungen zwischen Normalität und Irresein auf, weshalb man nicht vorhersagen kann, wie es morgen aussieht.«
    »Morgen interessiert mich nicht. Würden Sie mir heute eine Erklärung unterzeichnen, aus der hervorgeht, dass er bei den beiden Malen, an denen Sie mit ihm zu reden versuchten, nicht ansprechbar war?«
    Ich dachte eine Weile nach.
    »Ich glaube schon, vorausgesetzt, es ist vorsichtig formuliert.«
    »Sie können den Text selbst entwerfen.«
    »In Ordnung.«
    »Gut, das wäre geschafft.« Er aß ein weiteres Kaktusbonbon. »Was nun die Unzurechnungsfähigkeit betrifft, nehme ich zu Recht an, dass Sie mich nicht unterstützen wollen?«
    »Ich hatte vor, die Dinge in Ruhe auszuwerten.«
    »Dr. Delaware«, sagte er und lächelte, »das ist nicht mehr notwendig. Wenn alles so läuft wie geplant - und nach diesem Versagen der Aufsicht im Gefängnis habe ich eigentlich keinen Zweifel daran -, wird es eine ganze Weile dauern, bis es zum Prozess kommt. Obwohl ich weiß, wie zwiespältig Sie dem Problem der Unzurechnungsfähigkeit gegenüberstehen, und ich über Ihr Gewissen nicht zu befinden habe, habe ich nichts dagegen, wenn Sie dann später bei der Verteidigung mitwirken.«
    Ich nahm einen großen Schluck Bier.
    »Mit anderen Worten«, erwiderte ich, »Sie haben andere Experten gefunden, die weniger unentschlossen sind als ich.«
    Er zog eine Augenbraue hoch, leckte ein Zuckerstückchen von seiner Lippe.
    »Bitte fühlen Sie sich nicht verletzt«, sagte er. »Ich muss leider alles tun, um meinem Klienten zu helfen. Als wir über eine

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